EIN PARKPLATZ IN DER MÄNNERGRUPPE

■ Ein Mann fragt sich: Quo vadis ohne Kat - und die Männergruppe mauert Ist das Auto Isolierzelle oder Hülle und Haut, die den Mann schützt?

Natürlich habe ich mich geärgert. Sechs Mark hat es mich gekostet, mit dem Auto zur Männerberatungsstelle zu fahren, obwohl ich vorher wußte, daß es in der Uhlandstraße einen Parkplatz nur im Parkhaus geben wird. Es sollte nicht um die altbekannten, rationalen Argumente gegen das Auto gehen. In der „Mannege - Information und Beratung für Männer e.V.“ wollte Mann in die Tiefen männlicher Gehirnwindungen hinabsteigen, und erforschen, „welche Gefühle und Bedürfnisse bedienen gerade wir Männer mit dem Autofahren?“. Zwölf Männer sind gekommen, und weil Mann sich untereinander nicht vorstellt, sollen der Vollständigkeit halber wenigstens Gesinnung und Alter geschätzt werden: links und etwa zwischen 30 und 40 Jahre. Mit dem Auto aber ist nur einer gekommen - und das bin ich, übrigens 26. Schon eine der ersten Thesen gegen das Auto ist nicht so recht verständlich. Einer, der drei Jahre lang Taxi fuhr, behauptet: „Autos isolieren den Fahrer von der Umwelt.“ Das spricht doch aber eher für das Auto, meine ich. Hinter meiner Autotür lasse ich nämlich Großstadtlärm, Abgasgestank und unfreundliche Mitmenschen gerne zurück. „Ich drehe Musik an, und 'DireStraights‘ oder 'Bachs Brandenburgische Konzerte‘ helfen mir, mich zu entspannen . So komme ich selbst im Stau auf meine Kosten (und die Umwelt in den Genuß deines Lärms und Gestanks, d. S.in)“, formuliere ich meinen Widerspruch in die mitgefühlige Männerrunde.

Nur einer traut sich ebenfalls, die heimliche Lust zuzugeben: „Für mich ist Autofahren, was für Motoradfahrer das Motoradfahren ist.“ (bestechend differenzierte Wahrnehmung, d. S.in) Ein 40jähriger, der sich zu seinem Golf bekennt, ist in der Selbstfindung schon ein Stück weiter und erkennt seine Lust bereits als Problem: „Ich dachte, ich hätte es mit dem Autofahren längst geschafft, aber wenn ich dann erst hinterm Lenkrad sitze, können zwei, drei und mehr Stunden vergehen, und ich will nicht wieder davon los.“ „Bist also doch nicht clean“, kontert einer erleichtert. Hier scheinen einige wesentliche Dinge miteinander verwechselt zu werden, aber alle anderen lachen. Einsam brauche ich mich in der linken Männergruppe aber nicht zu fühlen, denn auf Nachfrage stellt sich heraus, daß sieben von uns zwölf ein Auto haben, und zwei sich eins teilen. Allerdings unterscheide ich mich von den anderen dadurch, daß ich mit Lust durch den Asphaltdschungel tiger. Tiefernst behauptet ein Endzwanziger mit modischer Hornbrille: „Ich fahre nur, wenn ich das Auto brauche.“ Worauf ich den Verdacht äußere, daß er vielleicht nicht ganz die Wahrheit sagt. Denn wer mit seinem Auto nicht auch andere „Bedürfnisse befriedigt“, wäre doch wohl gar nicht erst zu dieser Veranstaltung gekommen. Meine Verdächtigungen werden großzügig übergangen.

„Auto ist Umweltzerstörung, Kraft, Erotik und Beherrschung“ kippt dann einer mit Pferdeschwanz, der zehn Jahre Taxi fuhr, sein Männerwissen gleich eimerweise aus. „Männerwahn eben“, ergänzt ein anderer, der zur „Mannege“ gehört. Ein dogmatischer Radfahrer weiß sogar, daß „eine Umfrage ergeben hat, daß der deutsche Spießer sein Auto öfter wäscht als sich selbst“. Jetzt haben wir endlich die Gewißheit, daß wir zusammengehören und uns besser fühlen dürfen. Harmonie hin oder her, ich will endlich den Abstieg in meine verkorkste Männerpsyche riskieren. Der Taxifahrer soll mir erklären, was ich an meinem Daimler-Diesel erotisch finden soll. Er winkt ab: „Da müßten wir dein soziales Umfeld und deine sexuellen Defizite untersuchen.“ Konkreter geht es nicht. Aber, „was macht das Auto so exklusiv?“ will auch ein anderer wissen. „Sex, denke ich“, fällt dem Golf-Fahrer spontan ein. Gern würde ich jetzt sein soziales Umfeld untersuchen.

Dann kommt es doch noch zur Enthüllung geheimer Phantasien. „Das Auto ist Hülle und Haut, die den Mann schützt“, sagt ein „Mannege„-Mitarbeiter in seinem süddeutschen Dialekt und sieht „Gemeinsamkeiten mit einer Gebärmutter“. Bis ich begriffen habe, daß wir uns jetzt endlich im sozialen Umfeld bewegen, hat der dogmatische Radler das Thema gewechselt. Er empört sich darüber, daß es bei Autounfällen „ein Menschenrecht auf Mietwagen“ gäbe. Ein schönes Schlußwort, der Abend ist zu Ende.

Welche „Bedürfnisse wir Männer mit dem Autofahren bedienen“, habe ich nicht erfahren, dafür aber immerhin, daß linke Männer keine Lust auf ihre Limousinen haben. Nur, warum haben sie ihre Autos dann noch?

Dirk Wildt