: Atomar gefährdete Privatisierung
■ Britische Kraftwerksbetreiber wollen Garantien für die Abnahme ihres teuren AKW-Stroms - damit die Investoren nicht davonlaufen / Insgesamt 30.000 Arbeitsplätze im Bergbau gefährdet
London (taz) - Die britischen Stromerzeuger-Firmen, die vor der Privatisierung stehen, fordern von der Thatcher -Regierung Garantien dafür, daß ihnen die Netzbetreiber des Landes auch künftig Atomstrom abkaufen müssen. Lord Marshall, der Vorsitzende von National Power, sagte: „Die für die Verteilung des Stroms zuständigen Unternehmen müssen sich verbindlich festlegen, so daß sie ihre Meinung nicht in letzter Minute ändern können. Wir können nicht mit unserem Programm loslegen, wenn sich die Kunden zurückziehen.“
Denn National Power plant den Bau von vier Druckwasserreaktoren, die das Unternehmen 750 Millionen Pfund (2,25 Milliarden Mark) pro Jahr kosten werden. Der Atomstrom daraus käme dann doppelt so teuer wie der Strom, der konventionell mit preiswerter Inlandskohle und den noch billigeren Kohle-Importen aus dem Ausland produziert wird. Wer aber würde noch Aktien der Stromerzeuger kaufen, wenn zu erwarten steht, daß sie auf unabsehbare Zeit in atomare Finanzabenteuer verstrickt sind?
So soll die Regierung eine Atomsteuer von bis zu 25 Prozent auf die Strompreise aufschlagen, um den Atomstrom herunterzusubventionieren. In einem internen Papier an seine Kabinettskollegen, das in dieser Woche bekannt geworden ist, warnte der ehemalige Energieminister Cecil Parkinson im Sommer jedoch, daß diese Steuer für verschiedene Industriezweige zu einer „unerträglichen Verteuerung“ führen werde und deshalb gesenkt werden müsse.
Außerdem geht aus dem Papier hervor, daß die britische Regierung offenbar bereit ist, die Stromerzeuger weit unter Preis zu verkaufen, um ihr Privatisierungsprogramm nicht zu gefährden - für Tony Blair, den Energieminister des Labour -Schattenkabinetts, ein „Betrug an den Steuerzahlern“.
In dem Kabinettspapier heißt es weiter, daß die Kohleindustrie in höchstens fünf Jahren ihre Preise auf Weltmarktniveau gesenkt haben muß. Gleichzeitig sollen die Lieferungen der Zechen an die Kraftwerke um 15 Millionen Tonnen pro Jahr reduziert werden, um den privatisierten Unternehmen die Möglichkeit zu geben, billigere Kohle im Ausland einzukaufen. Damit nimmt die britische Regierung die Schließung von einem Drittel aller Bergwerke und den Verlust von 18.000 Arbeitsplätzen in Kauf. Energieminister John Wakeham, der seit Juli im Amt ist, sagte: „Auch British Coal muß sicherstellen, daß das Unternehmen wettbewerbsfähig ist.“ Weitere 12.000 Jobs werden durch Produktivitätssteigerungen im Bergbau verlorengehen. Die Befürchtungen des Gewerkschaftsführers Arthur Scargill, der die Schließung von Bergwerken seit zehn Jahren ziemlich genau vorausgesagt hat, werden dadurch noch übertroffen. Die Gewerkschaften bezeichneten die Regierungspläne als „Ausverkauf“.
Ralf Sotscheck
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