Fahrbares Kunststoffei auf drei Rädern

■ Oldenburg bestaunt sein erstes Elektro-Auto / Lärmfreies Autofahren ohne Schadstoffausstoß irritiert Behörden

Seit drei Wochen staunen die OldenburgerInnen Bauklötze, wenn sie durch ihre Stadt fahren. Seit dieser Zeit nämlich flitzt ein rotes, dreirädriges Etwas durch die Straßen der letzten Feste vor Ostfriesland. Eingeweihte wissen: Das ist der Physiklehrer und diplomierte Elektrotechniker Ernst Stuhlken in seinem Elektroauto „Mini-el“. „Man muß sich für Fahrten in die Stadt immer eine halbe Stunde mehr Zeit nehmen, weil die Leute so viel über dieses Auto wissen wollen“, berichtet Stuhlken, der seine „Zauberkiste“ (Taufnahme) täglich mehrmals für den acht Kilometer langen Weg zwischen Haus und Arbeitsplatz oder auch zum Einkaufen benutzt. Der 3,25 Kilowatt starke Motor (entsprechend 4,4 PS) legt mit einer Batterieladung bis zu 80 Kilometer zurück. Und mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 40 Stundenkilometern kann „Mini-el“ locker im Stadtverkehr mithalten. Die Vorteile dieses Autos: keine Schadstoffbelastung der Luft und nahezu geräuschfreies Fahren. „Optimal“ hat sich der kleine Elektroflitzer nach den Worten seines Besitzers in den letzten drei Wochen bewährt: In dieser Zeit hat Stuhlken schon 760 Kilometer abgerissen.

Die Idee

Stuhlken ist Tüfftler aus Passion und beschäftigt sich schon seit Jahren mit dem Problem elektrobetriebener Autos. Nachdem er erkennen mußte, daß herkömmliche Serienautos für den Betrieb mit elektrischer Energie nicht geeignet sind, fiel ihm der „Mini“ der Firma El-Trans (im dänischen Randers) auf. Letztes Jahr kaufte er sich für 6.740 Mark plus Mehrwertsteuer und Zoll eines der bisher 8.000 produzierten Autos.

Damit begann für Stuhlken eine Odyssee durch bundesdeutsche Zulassungsbehörden.

Auf einem Anhänger brachte der Physikus sein Gefährt über die Grenze und fragte beim heimatlichen TÜV an, welche Umbauten für eine ordentliche Anmeldung durchgeführt werden müßten. Doch die Experten, die sonst nur mit der Zulassung von PS-starken Limousinen und 30-Tonnern betraut sind, verweigerten die Überprüfung des Elektrofahrzeugs. Stuhlken wandte sich nach Hamburg, weil er wußte, daß dort schon acht „Mini-els“ die TÜV-Hürden übersprungen hatten. Und richtig: in Hamburg empfahl man ihm, Umbauarbeiten, die noch einmal 3.000 Mark kosteten, und als Stuhlken dann wieder zum TÜV fuhr, bekam er eine Mängelliste, mit der er sich bei der Bezirksregierung Weser-Ems eine Sondergenehmigung holen sollte. Doch das Land Niedersachsen brachte auch diesmal wieder den Amtsschimmel zum Wiehern: Stuhlken könne nicht beweisen, daß sein „Mini-el“ ein Auto sei, und deshalb könnten auch keine Gutachten zur Betriebsgenehmigung erstellt werden, denn die wiederum würden nur für Autos angefertigt.

In Schleswig-Holstein hatten die Behörden schließlich ein Einsehen mit dem genervten Physiklehrer, und nachdem das Auto eine Woche in Pinneberg ordnungsgemäß angemeldet war, tauchte Stuhlken wieder beim heimatlichen TÜV auf: Die Ummeldung des vorher abgeschmetterten Fahrzeugs klappte diesmal problemlos. Die Anmeldungszeremonie dauerte insgesamt ein gutes halbes Jahr.

Die Technik

Das Ladegerät für die Autobatterien kann aus jeder normalen Steckdose gespeist werden. Es ist unter dem Einzelsitz in der Fahrkabine installiert und wird durch einen Lüfter gekühlt. Im Fall von „Mini-el“ erfolgt die Aufladung in Abhängigkeit der Umgebungstemperatur (Stuhlken: „Das beste am ganzen Auto“). Die Batterien vergasen nämlich eher, je wärmer es ist und entsprechend weniger bei Kälte. Im Winter entstehen so entsprechend der Außentemperatur größere Ladekapazitäten in den Akkus.

Als Batterien fungieren normale Bleiakkus (19-Platten Batterien). Drei Stromspeicher mit je 90 Amperestunden Ladung und zwölf Volt Spannung bringen (in Reihe geschaltet) 36 Volt. Der „Mini-el“ ist mit einem Permanentmotor ausgerüstet, der automatisch als Generator funktio

niert, sobald die Autofahrt bergab geht: So wird im günstigsten Fall die Batterie während des Fahrens wieder aufgeladen. Als perpetuum mobile ist diese Motorart jedoch nicht geeignet: nur ein Bruchteil der verbrauchten Energie kommt auf diese Weise wieder herein.

Die Steuerung läuft wie bei jedem anderen Auto über Pedale. Beim Gasgeben wird Druck auf einen Regler ausgeübt, in dem zwei Kohleplatten sitzen. Je nach Druck ändert sich der Abstand der Kohleplatten und damit der elektrische Durchlaßwiderstand. Da dieser Weg sehr viel Strom kostet, wird bei einer Geschwin digkeit von 26 Stundenkilometern der Motor direkt parallel zur Batterie geschaltet. Wird der Motor zu heiß, bleibt „Mini-el“ stehen.

Stuhlken will das elektrische Fahren weiter perfektionieren. Durch den Einbau von Sonnen

kollektoren hat der ehemalige Entwicklungsingenieur eine Leistungssteigerung von 120 Watt berechnet( allerdings bei optimaler Sonneneinstrahlung). Trotz des erhöhten Gewichts bringt das 15 Kilometer mehr Strecke. Und Stuhlken denkt auch weiter: Von Batteriemodulen träumt er, die man an allen Tankstellen gegen Leasing-Verfahren auswechseln und so eben auch weitere Srecken mit dem „Mini-el“ zurücklegen kann.

Und auch als Physiklehrer profitiert Stuhlken von seinem Elektro-Auto. Der Leistungskurs des Technischen Gymnasiums an der Berufsbildenden Schule II will sich in den Wochen nach dem Abitur in mehreren Projekten um die Verbesserung des Autos kümmern. Hier werden dann neue elektrische Schaltungen konzipiert, die die Energie-Rückgewinnung (Rekuperation) optimieren sollen.

Markus Daschner