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Die Anderen

■ Le Monde: Kohls Besuch auf dem Annaberg/Polen / La Repubblicca: Zur deutschen Frage

Le Monde

Zu Kohls umstrittenem Plan zum Annaberg-Besuch schreibt die Pariser Tageszeitung:

Es wird jetzt schwerlich eine Einigung zu finden sein, in der keine der beiden Seiten das Gesicht verliert. Bundeskanzler Kohl, dessen Haltung gegenüber der Vergangenheit trotz seines immer wieder verkündeten Versöhnungswillens zutiefst zweideutig bleibt, ist wieder dabei, eine Ungeschicklichkeit wie bei einem Treffen mit Präsident Ronald Reagan zu begehen. Nach einem Besuch auf dem Bitburger Friedhof, auf dem Angehörige der Waffen-SS beerdigt sind, wollte er seinerzeit mit einer Rede im Konzentrationslager Bergen-Belsen der Welt die Botschaft vermitteln, daß der Krieg ein Unglück für alle war. Ein gefährliches Unterfangen, denn es soll alle gleichzeitig zufriedenstellen: die aufrichtigen Befürworter einer deutsch -polnischen Aussöhnung, bei der die deutschen Fehler der Vergangenheit anerkannt werden, und die Irredentisten, die in der Vertreibung von Deutschen aus den Ostgebieten das Gegenstück zu der Judenvernichtung unter den Nazis sehen.

La Repubblica

Die römische Zeitung beschäftigt sich mit der deutschen Frage.

Die entscheidenden Fragen sind: Wird die wachsende technisch -wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik und der DDR ein größeres Gewicht haben als die ideologischen Deklamationen? Wird die kulturelle Zusammenarbeit nicht unvermeidlich auch eine Liberalisierung mit sich bringen müssen? Und bis zu welchem Punkt kann die Zusammenarbeit vereinbart werden mit dem sozialistischen Charakter des Ostdeutschen Regimes?

Nur auf dieser konkreten Basis läßt sich die Hypothese eines Wandels im internationalen Status der DDR auf dem Modell Österreichs oder Finnlands ins Auge fassen. Dies würde eine konföderale Bindung mit Westdeutschland ermöglichen. Auf der anderen Seite ist es schwierig, sich vorzustellen, daß eine Konföderation dieser neuen DDR mit einem Westdeutschland möglich ist, wenn dies seine aktuelle strategisch-militärische Rolle in der Nato behält. Die Aussichten für eine Wiedervereinigung auch über eine Konföderation werden wieder die Ideen an eine denuklearisierte Zone, wenn nicht sogar an eine demilitarisierte Zone in Zentraleuropa wecken, was eine Aufgabe der bisherigen Position Bonns bedeuten würde. Das ist der Grund für die Peinlichkeit, die sich in Europa breit macht, angesichts des Wiederauftauchens der deutschen Frage und unabhängig von den Worten der Ermutigung.

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