: FMLN sagt Friedensverhandlung ab
Nach dem Massaker sieht die Guerilla FMLN keine Basis für Gespräche mit rechtsextremer Arena-Regierung / Befreiungsbewegung hat neue militärische Offensive angekündigt / 100.000 waren bei Beerdigung der Opfer des Attentats / Gewerkschafterin verhaftet ■ Aus Managua Ralf Leonhard
Angesichts der Terrorwelle der letzten Tage hat die FMLN die nächste Dialogrunde mit der Regierung abgesagt. Das dritte Treffen von GuerillakommandantInnen und Vertretern der rechtsextremen Arena-Regierung hätte am 20. und 21.November in Caracas stattfinden sollen. Die beiden Dialogrunden in Mexiko und Costa Rica hatten außer dem Entschluß weiter zu verhandeln, keine Annäherung in grundsätzlichen Fragen gebracht.
In einem Kommunique des Oberkommandos, das von Guerillaführer Ferman Cienfuegos verlesen und über alle nationalen Rundfunk- und Fernsehkanäle ausgestrahlt wurde, begründet die FMLN ihren Schritt mit dem Massaker an zehn GewerkschafterInnen am Dienstag. Unter den herrschenden Umständen sehe sich die FMLN gezwungen, die Bedingungen für einen Dialogprozeß zu überprüfen. Die FMLN fordert von den VertreterInnen der Kirche und internationaler Organisationen, die am jüngsten Dialog in Costa Rica als BeobachterInnen teilnahmen, Garantien für die Gewerkschafts und Volksorganisationen.
Vor und nach den Gesprächen, die vom 16. bis 18. Oktober in der Nähe von San Jose stattfanden, haben die Streitkräfte und die Regierung die Repression gewaltig verstärkt. Vor den Bombenattentaten dieser Woche waren schon Sprengstoffanschläge auf die linksgerichteten Politiker Ruben Zamora und Aronette Diaz verübt worden.
Auch während des Begräbniszuges für die zehn Terroropfer wurde Donnerstag eine Gewerkschafterin festgenommen und in einem Fahrzeug mit verspiegelten Scheiben abtransportiert. Rund 5.000 Trauernde begleiteten die Toten zum Zentralfriedhof von San Salvador, wo die Menge auf das Doppelte anschwoll. Delegationen aus den USA, Mexiko, Kanada und Norwegen waren angereist, um sich mit den Gewerkschaftern zu solidarisieren. Zu einem Zwischenfall kam es nur vor der Kaserne der Kriegsmarine, aus der zwei Tränengasbomben in den Trauerzug geworfen wurden. Ein Polizeiaufgebot, das den Weg zum Friedhof abgeriegelt hatte, mußte dem Druck der Massen weichen. Armee und Sicherheitskräfte hatten die Hauptstadt in Erwartung von Großdemonstrationen bereits in der Nacht in Alarmbereitschaft versetzt.
Die FMLN nahm die Terrorwelle zum Anlaß für eine neue militärische Offensive. „Die faschistische Regierung von Alfredo Cristiani wird die Antwort des Volkes kennenlernen, das seine zehn Söhne und Töchter, die im Kampf um die Demokratie gefallen sind, rächen wird“, hieß es in einer über den Untergrundsender „Radio Venceremos“ verbreiteten Botschaft. Bei einer Attacke von Stadtkommandos auf eine Polizeistation in San Salvador wurde Donnerstag ein Polizist verletzt.
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