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KarstädterInnen: Verbraucher bezahlt's

„Streik war umsonst, aber richtig“ / Nur Wertkauf noch geschlossen  ■  Karstadt

Im Juli standen sie vor dem Karstadt-Eingang an der Ecke Sögestraße, die Stimmung war gutgelaunt bis kämpferisch, und sie debattierten mit der Kundschaft über das Ladenschlußgesetz. Heute abend zwischen 18.30 und 20.30 Uhr müssen auch sie zum ersten Mal das tun, was sie mit ihrem Streik eigentlich verhindern wollten: die Kundschaft auch noch am Abend bedienen und anschließend im dunkeln nach Hause zu gehen, wenn die Angst am größten ist und die Verkehrsverbindungen am schlechtesten.

Zwei der Karstädterinnen, die im Sommer mitgestreikt haben, waren zu einem kurzen Gespräch mit der taz bereit. Eine von ihnen ist direkt davon betroffen, daß sich Betriebsrat und Geschäftsleitung in der vergangenen Woche darauf einigten, heute abend auch bei Karstadt Bremen zum „Dienstleistungsabend“ die Türen offen zu halten. Da nicht genug Kräfte für Donnerstags zur Verfügung standen, hat sie sich bereit erklärt, ihren Dienst zu tauschen und steht heute abend in ihrer Abteilung bereit.

Die BetriebsrätInnen haben durchgesetzt, daß diejenigen, die an zwei langen Donnerstagen gearbeitet haben, an einem kurzen Samstag zu Hause bleiben dürfen (100%iger Freizeitausgleich). Daß der Streik „umsonst“ war, das ist für sie keine Frage. Und auch, daß der lange Donnerstag nur der „Einstieg“ ist. Denn gegen flexible Arbeits- und Öffnungszeiten ist sie nach wie vor: „Ein Sonntag muß sein, ein Wochenende auch und ein geregelter Feierabend. Das untergräbt doch sonst die Ordnung.“ Ist sie nach der Niederlage jetzt sauer auf ihre Gewerkschaft, die HBV (Handel, Banken und Versicherungen)? „Nein“, sagt sie, „aber die hätten mehr trommeln müssen, damit die Folgen, der Preisanstieg in der Öffentlichkeit bekannt werden. Es gibt doch nicht mehr Umsatz. Das Licht, die Heizung... - das wird doch alles auf den Preis umgelegt. Eigentlich müßte der kleine Mann doch wissen, daß es dadurch alles teurer wird, daß er letzten Endes die Zeche bezahlt“. Findet sie es im Nachhinein noch richtig, daß sie gestreikt hat? „Wir sind zwar alle schwer enttäuscht. Aber ich stehe trotzdem dazu. Es war richtig, seine Meinung zum Ausdruck zu bringen. Und vielleicht bleiben die Leute doch weg. Bis jetzt jedenfalls lohnt sich das Geschäft noch gar nicht.“ Ihre Kollegin schaltet sich ein: „Die Lehrer streiken, die Schüler streiken, die Arbeiter streiken. Warum sollten die Verkäuferinnen denn nicht streiken? Und sogar in der DDR haben sie jetzt damit angefangen...“ Wertkauf

Weiter weg vom Stadtzentrum, in der Neustadt, gibt es einen Betriebsrat, der noch standhafter als der von Karstadt ist: „Wertkauf“. Da die Geschäftsleitung vorgestern in der Einigungsstelle kein Entgegenkommen zeigte, was einen angemessenen Ausgleich für die AbendarbeiterInnen und Mitbestimmungsrechte für den Betriebsrat angeht, vertagten sich die KontrahentInnen auf den 28.11. Die „Wertkauf„ -Belegschaft war gestern auf ihrer Versammlung ebenfalls nicht bereit, nachzugeben.

B.D.

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