: taz-Serie zur Affäre Schmücker Teil 1
Seit gestern versucht sich in Berlin ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß in Sachen Vergangenheitsbewältigung. Aufgeklärt werden soll die sogenannte „Schmücker-Affäre“ ein Etikett, hinter dem sich einer der größten Skandale des bundesdeutschen Geheimdienstes verbirgt, in dem Generationen von Politikern, Geheimdienstchefs und Justizbehörden verstrickt sind. Dahinter steckt aber auch eines der dunkelsten Kapitel der militanten Linken in den siebziger Jahren.
Am 4. Juni 1974 wurde der Student Ulrich Schmücker im Berliner Grunewald ermordet. Im längsten bundesdeutschen Gerichtsverfahren versuchten bislang drei unterschiedliche Gerichte die Umstände dieser Tat vergeblich aufzuklären ein vierter Durchgang ist für Anfang 1990 geplant. Aufgelaufen waren die Richter in jeder der drei Hauptverhandlungen an der Abschottung des Verfassungsschutzes, der den Gerichten notwendige Beweismittel vorenthielt (unter anderem ließ der Geheimdienst die Tatwaffe im Tresor verschwinden) und dabei von den politisch Verantwortlichen gedeckt wurde. Denn Ulrich Schmücker war ein V-Mann des Berliner Verfassungsschutzes, der seinen Einsatz mit dem Leben bezahlte. Warum der VS die Ermordung seines V-Mannes nicht verhinderte, wird die zentrale Frage des jetzt tagenden Untersuchungsausschusses sein.
„Was ist das für eine Linke“, fragten Peter Brückner und Barbara Sichtermann schon vor Jahren, „in der ein Mord geschieht, in der dieser Mord auf eine bestimmte Weise begründet wird und in der auf bestimmte Weise auf den Mord und auf die Begründung reagiert wird?“ Diese Fragen knüpften Brückner und Sichtermann an das Kommunique der Gruppe „Schwarzer Juni“, die sich am 6.Juni 1974 zu dem Mord an Schmücker bekannt hatte: „Genossen, das vor euch liegende Papier ist das Ergebnis der Auseinandersetzung mit dem Verrat. Jede revolutionäre Bewegung muß sich mit der Problematik der Bespitzelung und des Verrats befassen, will sie nicht schon in den Ansätzen ihrer Arbeit erstickt und liquidiert werden.“
Die taz ist sowohl der Frage nach „der Linken“, die „Verrat“ durch Liquidation zu lösen glaubte, als auch der Rolle des Geheimdienstes, der erst die Voraussetzungen für den Mord schuf, nachgegangen. Dabei geht es weniger um den konkreten Tatverlauf - diese Frage muß erneut vor Gericht geklärt werden - als vielmehr um die dahinterstehenden Motive und Strukturen, der tödlichen Allianz zwischen Militanz und agents provocateurs.
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