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Goldfüßchens Hochzeit

Diego Armando Maradona trat prunkvoll in den Ehestand  ■  PRESS-SCHLAG

Wie konnte sich Stuttgart das nur entgehen lassen. Sonst grabschen die schwäbischen Stadtväter derzeit gierig nach allem, was da kreucht und fleucht, wenn es nur irgendwie nach Sport ausssieht; Weltmeisterschaften, Tennisturniere, und wenn's denn sein soll, als Krönunung die Olympischen Spiele. Aber ausgerechnet das Ereignis der Ereignisse des Jahres 1989 ließen sie sich ohne Gegenwehr entgehen: die Hochzeit des Diego Armando Maradona. Dabei hätten schlappe drei Milliönchen wohl genügt, und das Goldfüßchen aus Argentinien wäre dabeigewesen. Mit ein paar einfachen Handgriffen und etwas Pappmache hätte das Neckarstadion leicht in eine gigantische Kathedrale umgewandelt werden können, Mayer-Vorfelder und Späth hätten werbewirksam als Trauzeugen fungieren, eine kleine Draufzahlung bestimmt den Papst zum Vollzug der Trauzeremonie bewegen können, und schön symbolträchtig wäre das Ganze auch gewesen: schließlich hat Maradona just im Neckarstadion mit seinem SSC Neapel dieses Jahr den UEFA-Pokal gewonnen. Doch nein, die Schwaben zeigten sich unziemlich knauserig, Maradona mußte selbst berappen, und die „Märchen-Hochzeit“ (Weltpresse) fand am Dienstag in Buenos Aires statt.

Am 28. Juni 1977, mit siebzehn Jahren, hatte Maradona seiner Freundin Claudia Villafane die Heirat versprochen, warum er ausgerechnet jetzt, nachdem er zwölf wilde Ehejahre unter anderem im sittenstrengen Katalonien und im vom Katholizismus infizierten Neapel verbracht hat, daran ging, den Eheschwur zu erfüllen, weiß keiner so genau. Er selbst schob alles auf seine beiden Töchter, die fünfjährige Dalma Nerea und die zweijährge Giannina Dinorah. Um die Jüngere über die Strapazen ihrer Taufe hinwegzutrösten, habe er bei dieser Gelegenheit versprochen: „Mama und ich werden uns dieses Jahr verheiraten. Das Fest wird ein Märchen, und ihr werdet die kleinen Königinnen sein.“

Der ohnehin zum Prunk neigende Diego hielt Wort. 190 Gäste durften in einem extra gecharterten Jumbo von Italien nach Argentinien fliegen, im Sheraton waren 120 Zimmer gemietet. Der Sportpalast des Luna-Parks wurde mit 2.400 Quadratmetern Teppichboden, 15.000 Metern Stoff und 4.000 Grünpflanzen innerlich in einen Prachtpalast verwandelt. Als Fahrzeug diente Maradona ein Rolls Phantom III Lando van den Plasse , der früher dem Waffenhändler Fritz Mandl gehört hatte, nachdem er von Joseph Goebbels in Deutschland konfisziert worden war. Die gewünschte Kathedrale von Buenos Aires blieb dem Ballkünstler jedoch verschlossen, die kirchliche Trauung wurde vom päpstlichen Nuntius, Monsignore Ubaldo Calabresi, in der Kirche Santissimo Sacramento vorgenommen.

Beim Fest selbst fehlten dann einige illustre Gäste. Die Industrie- und Fußballbosse Agnelli und Berlusconi hatten es vorgezogen, daheimzubleiben, Napoli-Boss Ferlaino, derzeit mal wieder in heftigem Streit mit seinem Star, schickte lediglich einen Biedermeiersekretär im Wert von 24.000 Mark, einige Fußballkollegen mußten wegen des Länderspiels Italien - Algerien absagen, und auch der historische Versöhnungskuß zwischen Argentiniens Präsidenten Carlos Menem und seinem Vorgänger Alfonsin fiel aus: Menem täuschte plötzliche Regierungsgeschäfte vor.

Weit wichtiger war sowieso die Torte: Fast zwei Meter hoch, einhundert Kilogramm schwer, darin versteckt einhundert Goldringe und ein Brillantring. Auch die Garderobe der Familie Maradona, für die in der Halle extra ein boxringähnliches Podest errichtet worden war, wußte zu brillieren. Die Töchter trugen diamantenbesetzte Diademe, und die frischgebackene Frau Maradona mußte acht Kilo Halbedelsteine mit sich herumschleppen, die an ihrem 60.000 Mark teuren Hochzeitskleid befestigt waren. Zwei riesige Videowände sorgten dafür, daß niemand in der Halle auf diesen umwerfenden Anblick verzichten mußte.

Während Maradona sich nach den Festlichkeiten schnell wieder in den fußballerischen Alltag begeben mußte und seine Hochzeitsreise - „wahrscheinlich nach Kuba“ - ins nächste Jahr verschob, war die Meinung der Leute auf den Straßen von Buenos Aires geteilt. Die meisten fanden, daß ihr Liebling angesichts der kritischen Wirtschaftslage Argentiniens doch ein wenig zu dick aufgetragen hatte, andere, wie der 75jährige Rentner Daniel Barragon, gönnten ihm die Protzerei: „Er ist ein guter Junge aus einfachen Verhältnissen, also soll er seinen Spaß haben.“

Matti

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