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Ein Abend lang alte Herrlichkeit

■ Trotz neapolitanischer Stimmung im Grünwalder Stadion gelingt den Münchner Löwen im DFB-Pokal gegen die Profis aus Bremen keine Überraschung / „Wir kommen wieder“ als wenig realistische Nostalgie-Parole

München (taz) - Warum geht der Mensch zum Fußballspiel? Manche, weil sie schon lange nicht mehr kommen wollten. Andere, weil sie immer kommen, einige aus Mitleid oder nur, weil sie nichts Besseres zu tun haben. Viele besuchen die Spiele, weil der männliche Teil der Familie schon seit Jahrzehnten sein Vergnügen darin findet. Die meisten sehen aber in diesem Spiel jenseits aller Vernunft ihre persönliche Idendität.

Auf dem Rängen im Stadion an der Grünwalderstraße stehen deshalb lauter Menschen, die so tun, als wüßten sie nicht, was sie sehen. Mit den Löwen, so bezeichnen sich die Stammesmitglieder des Vereins TSV 1860 München, geht es seit zwanzig Jahren bergab. Nach der Deutschen Meisterschaft 1966, dem bald folgenden Abstieg aus der Bundesliga und dem Wiederaufstieg '79 war der Verein finanziell am Ende. Mit acht Millionen Mark Schulden wurde ihm 1983 vom DFB die Profilizenz entzogen. Seitdem kicken die Löwen in der Bayernliga und bemühen sich Jahr für Jahr erfolglos um den Aufstieg in den bezahlten Fußball.

Nicht nur ein paar Unerschütterliche gröhlen immer noch „wir kommen wieder“, denn an solchen Tagen, etwa wenn der SV Werder Bremen zum Pokalspiel kommt, erblüht das alterwürdige 60er-Stadion zu alter Herrlichkeit.

Auch der in harten Bundesligakämpfen erfahrene Otto Rehhagel vermeinte bereits beim Aufwärmen mit Augen und Ohren den Süden zu spüren: „neapolitanische Verhältnisse.“ Und seine Elf hätte gegen alle spielen müssen: die Zuschauer, die Medien, die Löwen. Die der Manager Lemke sofort in der Bundesliga sehen möchte.

Da der Rehhagel aber auch noch etwas vom Fußballspielen versteht, erwähnte er so nebenbei, die seinen hätten trotz alledem verdient gewonnen. Bierofka, Altlöwe und derzeit deren Bändiger, versuchte stolz und enttäuscht zugleich zu erscheinen.

Stolz, da die Löwen zum Erstaunen der Zuschauer manchmal die Besseren waren, enttäuscht, weil die kurzen Momente spielerischen Glanzes auf Seiten der Bremer genügten, hier zu gewinnen.

Dabei gingen die Münchner bei ihrem ersten Besuch im gegnerischen Strafraum in Führung. Leider waren die Löwenspieler derartig beglückt, daß sie den Ausgleich schon kurz darauf über sich ergehen lassen mußten. Der SV Werder, erstaunt ob diese Spielstandes, wußte nicht mehr ein noch aus und schob den Ball quer durch die eigenen Reihen, um ihn endlich bei Torhüter Reck landen zu lassen.

Dies wiederum ermöglichte den 60ern, trotz bescheidener fußballerischer Fähigkeiten Hoffnung zu erwecken, den großen Gegener bezwingen zu können. Nach dem Seitenwechsel zeigten die Bremer kurze lichte zehn Minuten lang den Klassenunterschied zwischen den beiden Mannschaften auf. Sie erzielten durch Riedle das 1:2, versäumten weitere Erfolge und sehnten das Ende der Partie herbei.

Die Müncher, im folgenden auch wieder vor dem Tor von Reck auftauchend, taten noch so, als sei der Ausgleich möglich. Dies erkärte ihr Trainer Bierofka hinterher zur vorhandenen Substanz als Basis zum Neuaufbau und verkündete, die heutigen Ergeignisse wären der Vorgeschmack auf kommende Zweitligazeiten. Was die Fans der Löwen im nahegeglegenen Salvater-Keller mit Krügen bestätigten: „Wir kommen wieder.“

MÜNCHEN: Lach - Hainer - Meisl, Wolke, Beckenbauer Spanring, Störzenhofecker, Windsperger (70. Schmidbauer), Gröber - Rollshausen (57. Colakovic), Maurer

BREMEN: Reck - Bratseth - Bockenfeld, Otten (46. Votava/87. Sauer) - Hermann, Borowka, Wolter, Eilts, Bode - Riedle, Rufer

ZUSCHAUER: 31 000 (ausverkauft)

TORE: 1:0 Störzenhofecker (13. Min.), 1:1 Bode (14.), 1:2 Riedle (53.)

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