: Hoffnung oder Bunker
■ Ein DDR-Fernsehjournalist über DDR-ÜbersiedlerInnen
Was viele andere empörte, war für ihn eher beruhigend. Die Nachricht, daß der Sozialsenator die ÜbersiedlerInnen aus der DDR in Bunkern unterzubringen gedenke, brachte den Bonner Korrespondenten des DDR-Fernsehens Lutz Renner zu der Einsicht: „Henning Scherf ist ein ehrlicher Mann.“
Gestern traf der Vertreter der neuen sozialistischen Medienvielfalt den ehrlichen Senator aus Bremen und bekannte nach nur wenigen Minuten Interview und ganzen zwei Antworten: „Mir reichts jetzt.“
So sehr hatte Scherf, der die Bunkerlösung als „peinlich“ vorstellte und die Noch-DDR-Bürger bat, eine „realistische Einschätzung der hiesigen Lebens-und Arbeitsperspektiven zu gewinnen“, dem Fernsehmann aus der Seele gesprochen. Renner begrüßte es, daß die SPD als erste Partei „auf die Stimmung in der Bevölkerung reagiere, die nun Sorge hätte, daß soviele Flüchtlinge kommen“. Für ihn, der mit
der „Erneuerung“ latent kokettierte und nicht oft genug darauf hinweisen konnte, daß die Zeit der Bevormundung und Gängelei vorüber sei, ist bereits heute ein Zustand in der DDR erreicht, der es den Leuten dort ermöglicht, „unter würdevollen Bedingungen“ leben können.
„Wenn die sich nun selber in eine Situation begeben, wo sie unter unwürdigen Verhältnissen leben müssen, sind sie selber Schuld - da habe ich kein Mitleid mehr.“ - „Es gibt“, sagt Renner, „keinen ernsthaften Grund mehr auszureisen“. Und berichtet von einigen Ex-DDRlern in der BRD, die ihre Rück -Rück-Reise planen. Vom Elektroschweißer aus Hamburg, den sein christlicher Glaube aus dem realen Sozialismus getrieben hat und der nun geläutert zurückkehren wolle. „Neue Hoffnungen in der DDR gegen alte Bunker in der BRD einzutauschen“, das ist mit den Worten des „erneuerten“ Korrespondenten - „asozialistisch“.
Andreas Hoetzel
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