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Freilassungen in Dresden

 ■ EREIGNIS DDR

Im Bezirk Dresden sollten gestern alle DemonstrantInnen aus der Haft entlassen werden, die an den Ereignissen am Hauptbahnhof um den 4. Oktober oder an späteren Kundgebungen beteiligt waren. Das teilte Bezirksgerichtsdirektor Siegfried Stranovsky am Sonntag laut DDR-Nachrichtenagentur 'adn‘ mit. Am 4. Oktober waren die Sonderzüge mit DDR -AusreiserInnen aus Prag über Dresden ins Bundesgebiet gereist. Am Hauptbahnhof der Stadt war es zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften gekommen. Die am 3. November vom Kreisgericht Dresden-Ost wegen „Rowdytums“ gefällten Freiheitsstrafen gegen drei Männer werden angefochten. „Die Wahrheit ist doch, daß manches, was in der Verfassung steht, nicht so funktioniert hat“, sagte Stranovsky. Zu spät sei erkannt worden, daß das Leben bestehende Gesetze in Frage gestellt hatte.

Bezirksstaatsanwalt Wolfgang Lindner teilt mit, daß bisher mehr als 300 Anzeigen, Eingaben und Beschwerden wegen Übergriffen der Sicherheitsorgane bei der Bezirksstaatsanwaltschaft eingegangen seien. In den nächsten Tagen würden Verfahren auch gegen Offiziere eingeleitet, die ungesetzlicher Handlungen beschuldigt werden. Von 1.300 Zuführungen seien 259 unrechtmäßig gewesen, weil sie „aus friedlichen Demonstrationen heraus vorgenommen“ wurden.

Neuer Fraktionsvorsitzender der SED in der Volkskammer wurde das Politbüromitglied Werner Jarowinsky. Seinen Platz räumte dafür Erich Mückenberger. Nun bleibt ihm nur noch der Vorsitz der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft (DSF), die mit ihrem Revirement noch nicht begonnen hat. In einer „emotionsgeladenen, zum Teil kontroversen Debatte“ forderten die FDJ-Abgeordneten in der Volkskammer die Veränderung der Geschäftsordnung, „damit sie niemandem mehr gestattet, Wunsch und Willen von Parlamentsabgeordneten zu negieren“. Zum neuen Fraktionschef einer „kämpferischen“ FDJ avancierte Lutz Ahnfeld.

Die DDR-Jugend soll künftig mit neugestalteter Weihe ins Leben entlassen werden. Die Jugendweihe, die sozialistische Variante der Konfirmation, soll von einem Gelöbnis für den Sozialismus nun in eine „Art Versprechen, als junger DDR -Bürger ehrlich und aufrichtig zu leben“, umgewandelt werden.

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