: Kann man „Offenes Radio“ ertragen?
■ taz-Gespräch mit Wolfgang Hartlieb, der bei Radio Bremen verantwortlich ist für die Sendungen, die als 'Offenes Radio‘ firmieren
taz: Wie lang machen Sie denn schon das 'Offene Radio‘ bei Radio Bremen?
Wolfgang Hartlieb: Das 'Offene Radio‘ gibt es seit dem 1.1.1985. Bis Frühjahr '89 war es immer Sonntags nach 17 Uhr eine halbe Stunde, seit April 40 Minuten, und eine Stunde für die Wutwelle Bremerhaven, d.h., die Gesamtsendezeit für 'Offenes Radio‘ beträgt eins vierzig
Wie sieht ihre Arbeit als Redakteur aus? Hören Sie sich die gesamten Beiträge durch?
Ja, das gehört zu meinen Aufgaben. Zu den Regeln des Bremer 'Offenen Radios‘ gehört ja, daß jeder der hier seinen Wohnsitz oder Sitz hat, sich beteiligen kann mit eigenen Beiträgen. Das sind so die einzigen Einschränkungen, außerdem keine Werbung und kein Verstoß gegen das Radio
Bremen-Gesetz, speziell Paragraph 2, das sind so die Geschichten Verächtlichmachung wegen Herkunft, Religion et cetera.
Gab es da denn Probleme?
Da waren son paar Geschichten, die so am Rande waren. Aber im Grunde gab es keine Probleme. Ich hab noch nie eine Sendung abgelehnt.
Und wie bewerten Sie die Qualität des Programms? Gab es Highlights? Würden Sie sich das Programm auch freiwillig anhören?
Das ist schwer zu beantworten. Es gab Highlights und es gab Sachen dazwischen, wo ich gedacht habe, mein Gott, da könnte sich ganz toll was draus entwickeln, es gab natürlich auch die große Zahl derer, die nur mal ins Radio wollten. Und es wäre natürlich auch naiv zu glauben, daß da ein wahnsinniges Potential an Kreativität, an
Phantasie, an Wasweißichwas brachliegt und nur drauf gewartet hätte, daß jetzt diese Möglichkeit eröffnet wird, um dann aktiv zu werden.
Haben sie einmal an das Kreativitätspotential geglaubt, das nur geweckt werden müsse?
Man muß dazu sagen, ich bin zu dem Offenen Radio eher zufällig gekommen, ich gehöre nicht zu denen, die vorher die theoretischen Postulate aufgestellt haben und habe mir eigentlich von vornherein gesagt, ich warte ab. Was ich mir erwartet habe, selber, war vielleicht eine etwas andere Sprache, nicht so die drei, viermal polierte, kontrollierte Sprache der Rundfunkjournalisten, sondern etwas direkteres, ursprünglicheres, deutlicheres. Das ist in der Regel nicht passiert, gerade bei Beiträgen, die sich journalistisch
gaben, das war die Imitation dessen, was man dreißig, vierzig, fünfzig Jahre gehört hat. Von ganz wenigen abgesehen. Deutliche Sprache gab es manchmal in plattdeutschen Beiträgen, aber das ist ja das, was man auch erlebt, wenn man die plattdeutschen Nachrichten hört. Es gab auch Experimente mit dem Medium, die sehr spannend waren, aber das ist insgesamt eher eine Minderheit, die so gearbeitet hat.
Und jetzt läuft seit zwei Wochen die Wutwelle. Gibt es da einen qualitativen Sprung?
Das kann ich nach zwei Wochen nicht beurteilen, es ist auf jeden Fall nicht vergleichbar. Das bisherige Offene Radio hatte ja den freien Zugang nach dem Prinzip der Schlange. So stehen Dinge also völlig unvermittelt nebeneinander. Bremerhaven ist jetzt völ
lig anders, weil es ja strukturiert ist, diese Geschichte. Die 'Wutwelle - Gezeitenmüll‘ als Motto engt natürlich schon ein vom Thema her, und ad 2 ist es ja so angelegt, daß sich ein Projektrat gebildet hat, in dem alle Gruppen und Einzelpersonen vertreten sind, die sich beteiligen wollen. Und dieser Projektrat wieder legt neue Formen und Strukturen fest, was eben reinkommt oder nicht reinkommt. Das ist also ein sehr basisdemokratisch organisiertes Modell, das bisher, soweit ich das beurteilen kann, auch hervorragend läuft. Was zum Beispiel auch zur Folge hat, daß nicht das passiert ist, was in Bremen passiert ist, daß sich also die Szene im Grunde von Anfang an verweigert hat mit der Begründung, einen Sendeplatz erkämpft man sich, den kriegt man nicht ge
schenkt und das ist doch nur, um uns zu beruhigen. In Bremerhaven fing das ein bißchen so ähnlich an, mit Verdächtigungen und Unterstellungen, aber es scheint inzwischen erreicht zu sein, daß der Kreis derer, die sich beteiligen sehr weit ist.
Wie sahen die bisherigen Programme aus?
Im Ersten war zum Teil so ein Rückblick, wie es dazu gekommen ist und so ein paar neue Einsprengsel, so magazinartig. Im Zweiten, was gelaufen ist, war eine Gruppe, die ihren Stadtteil vorgestellt hat, Surheide, südlich von Bremerhaven, eine Siedlung, die glaube ich, so 1937 gebaut wurde, und von daher auch so ein bißchen geschichtlich belastet ist, was in der Sendung nicht so deutlich wurde, wie das Profis gemacht hätten.
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