Polen sollen Koffer packen

■ Neue Regelung für Flüchtlinge aus Osteuropa / Berlin folgt damit dem Beschluß der Innenministerkonferenz / Statt Gleichstellung faktisch Schlechterbehandlung

Noch ist das Chaos um die erste Flüchtlingsweisung in voller Blüte, da flattert eine zweite aus dem Hause des Innensenators Pätzold. Seit dem 1. November gilt auch für abgelehnte Asylbewerber aus osteuropäischen Ländern, die Koffer zu packen. Grundlage des Beschlusses aus der Innenverwaltung ist ein Entwurf der Ausländerreferenten der Bundesländer. Die Innenministerkonferenz (IMK) hatte bereits am 14. April 1989 beschlossen, die Sonderregelung für Staatsbürger aus Ostblockländern aufzuheben. Diese stammt noch aus den Zeiten des kalten Krieges, wonach jeder Staatsbürger eines kommunistischen Landes qua Definition politisch verfolgt war und nicht abgeschoben werden durfte.

Stichtag für die Neuregelung ist der 1. Mai 1989. Wer vor diesem Datum eingereist ist, kann sich Hoffnung auf die „Übergangsregelung für Härtefälle“ machen: Wer bereits eine Aufenthaltserlaubnis hat, darf theoretisch ebenso bleiben wie abgelehnte AsylbewerberInnen, die hier „geduldet“ werden, wenn sie nicht auf Sozialhilfe angewiesen sind.

Nach Angaben des „Polnischen Sozialrats“ in Berlin könnten von den über 20.000 in Berlin lebenden PolInnen mittelfristig 10.000 bis 15.000 von der Neuregelung betroffen sein. Denn endgültig abgesichert sind nur rund 1.300, die sich glücklich im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis befinden. „Die Polen wurden hier jahrelang über ihre aufenthaltsrechtliche Zukunft im unklaren gelassen“, kritisierte Sozialratsmitglied Kaminski. Er fordert statt der Pätzoldschen Umsetzung des IMK -Beschlusses, den Aufenthalt von polnischen Staatsbürgern, die seit mindestens fünf Jahren in West-Berlin leben, rechtlich abzusichern.

„Die polnische Regierung ist sicher auch daran interessiert, daß hier nicht mehr auf politische Verfolgung anerkannt wird“, erklärte der Sprecher der Innenverwaltung, Thronicker. Freuen wird sich darüber auch das Regime Ceaucescu, denn überraschenderweise zählt neben der CSSR, der UdSSR, Ungarn, Bulgarien und Albanien auch Rumänien zu den Ländern, für die der Abschiebestop aufgehoben wurde.

Der „Polnische Sozialrat“, die AL und auch der ausländerpolitische Sprecher der SPD, Barthel, kritisierten gestern, daß die Neuregelung statt der geforderten Gleichstellung aller Flüchtlinge StaatsbürgerInnen aus Ostblockländern nun mehr schlechter stellt. Während laut Weisung vom 20. Juni, zum Beispiel, Flüchtlinge nach fünf Jahren Aufenthalt Anrecht auf eine Aufenthaltserlaubnis haben, müssen, zum Beispiel, Polen mindestens acht Jahre hier gelebt haben.

Unklar ist, wieviel Spielraum der IMK-Beschluß den einzelnen Bundesländern bei der Umsetzung läßt - und wie groß der politische Wille beim Innensenator ist, diesen zu nutzen. Der Ausländerausschuß wird sich demnächst in einer Anhörung mit der Kritik polnischer Organisationen auseinandersetzen müssen.

anb