: Von toten Katzen und Menschen
■ „Friedhof der Kuscheltiere“, eine neue Stephen-King-Adaption
Es ist nun fast zwei Jahre her, als ich zum ersten Mal davon hörte, daß Hollywood Stephen Kings Haustierschocker Pet Semetary auf Zelluloid begraben wollte. Als Totengräber hatten sie den Splatter-Papst George A. Romero, Experte für unkontrollierten globalen Kannibalismus, im Auge.
Ich war gespannt. Gruselfilme brauche ich so dringend wie meine abendlichen zwei, drei Flaschen Budweiser. In Sachen Horror halte ich es nämlich mit den alten Griechen. Die waren schließlich auch der Meinung, daß blutige Tragödien das beste Rezept sind, um die alltäglichen Ängste und Neurosen wirksam zu bekämpfen.
Doch dann, ich glaube es war ein Montag, es muß ein Montag gewesen sein, kam noch eine Information über den großen Teich und die war grauenhafter als die ganze verdammte Nacht der lebenden Toten: Sie hatten nicht Romero, sondern eine Frau engagiert. Können Frauen Horror-Filme drehen?
Ich erröte heute noch, wenn ich daran denke, daß ich mir jemals so eine sexistische Suggestivfrage stellen konnte. Selbstverständlich können Frauen Hackepeter-Filme machen. Und Mary Lambert war geradezu prädestiniert dafür. Die Frau kommt aus der Video-Szene. Sie drehte all diese Madonna -Clips und irgendeinen erotischen Thriller mit Grace Jones. Der Streifen verschaffte ihr denn auch den Regie-Job für Friedhof der Kuscheltiere.
Der Film ist eng am Roman inszeniert und die Geschichte schnell erzählt: Der Arzt Louis Creed (Dale Midkiff) zieht mit Frau (Denise Crosby) und ihren zwei Kindern aufs Land. In der Nähe des neuen Heims liegt ein alter Indianerfriedhof. Wenn dort jemand begraben wird, kommt er „zurück“, sagen die Leute. Als Creeds Katze auf der nahen Straße plattgemacht wird, probiert er den Trick aus. Der Kater ist am anderen Tag wieder da. Zwar stinkt er entsetzlich und ist äußerst bösartig, aber sonst ist er noch prima in Schuß. Dann stirbt Creeds kleiner Sohn durch einen häßlichen Unfall. Papa schleppt ihn zur Wiederaufbereitungsanlage. Aber was da am anderen Tag ins Elternhaus zurückkriecht ist nur dem Äußeren nach ein kleiner Junge...
Der Meister des literarischen Grauens, Stephen King selbst, schrieb das Drehbuch. Das war, obwohl sehr werbewirksam, keine so gute Idee. King ist als Drehbuchschreiber eine Niete. Die erste Hälfte des Films ist mit dummen Dialogen zugekleistert. Die hektischen Schnitte und die miesen Schauspieler tun das Ihre. Kein Rhythmus während der ersten 50 Minuten. Doch dann geht es plötzlich. Mary Lambert scheint kapiert zu haben, daß es in einem Horror-Film nicht auf das Warum, sondern auf das Wie und vor allen Dingen auf das Wann ankommt. Die Unfallszene, in der der kleine Gage getötet wird, ist höchst dramatisch und perfekt inszeniert. Und plötzlich ist sie da, diese dichte Atmosphäre des Unheimlichen. Die Regisseurin zieht alle Register des Horrors. Dabei übertreibt sie nie wie viele ihrer männlichen Kollegen, die die Zuschauer mit den blutigen special effects erschlagen. Sie schockt und zieht sich gleich wieder zurück, ohne dabei aber die Spannung zu mildern. Und, dafür muß man dankbar sein, es gibt kein Happy -End.
Übrigens empfiehlt ein Kollege von 'epd-Film‘ der Horror -Debütantin, sie möge ihren Film doch bitte „auf dem Friedhof der Schmuddelfilme“ begraben. Das hat Mrs. Lambert zwar nicht nötig, kann sie aber ruhig machen. Denn auf diesem Gräberfeld sieht man mich und eine ganze Menge verwandter schwarzer Seelen des öfteren, wie wir alle diese schmutzigen kleinen Filme wieder ausbuddeln.
Karl Wegmann
Mary Lambert: Friedhof der Kuscheltiere. Mit Dale Midkiff, Fred Gwynne, Denise Crosby. USA 1988, 102 Min.
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