piwik no script img

Berliner Luft auf Zypern?

ZyperngriechInnen demonstrierten in der Hauptstadt / Polizei setzte Tränengas und Schlagstöcke ein  ■  Aus Nikosia Klaus Hillenbrand

Das Dach der Schreinerei der Gebrüder Isaak sieht aus wie ein Schweizer Käse. Im Dutzend sind die Ziegel zerbrochen und geben den Blick in den blauen Himmel frei. Vier Häuser weiter zeigt eine Frau verzweifelt auf ihr Haus. Das Dach ist nahezu abgedeckt.

Mehrere hundert Demonstranten, zum größten Teil SchülerInnen, versuchten gestern die Demarkationslinie der geteilten zypriotischen Hauptstadt zu stürmen. Die verwinkelten Straßen der Altstadt waren mit Stacheldrahtrollen abgesperrt, Spezialeinheiten stellten sich den fahnenschwenkenden Menschen entgegen. Die wichen auf die Dächer aus und räumten dort die Ziegel ab.

In Sprechchören protestierten die DemonstrantInnen gegen den türkisch-zypriotischen Separatstaat im Norden, dessen Gründung sich gestern zum sechsten Mal jährte. Die UNO -Friedenstruppen hatten ein Großaufgebot an der Pufferzone aufgestellt, um ein Überschreiten der Sperrzone zu verhindern. Doch das war gar nicht notwendig. Die Polizei in der Republik Zypern verhinderte, daß die DemonstrantInnen in die Nähe der Pufferzone gelangten. Unter dem Einsatz von Schlagstöcken ging die Polizei gegen die DemonstrantInnen vor. Die Patrocolos-Straße lag unter einer Tränengas-Wolke. „Warum machen sie das, warum nur?“ fragte Ghia, die in der Straße einen winzigen Lebensmittelladen besitzt. Die altersschwachen Mauern der Häuser waren dem Ansturm der DemonstrantInnen ebensowenig gewachsen wie die Dächer und nahmen erheblichen Schaden.

Noch am Vortag hatte Zyperns Präsident Georgios Vassiliou vor Provokationen gewarnt.

Die gestrige Demonstration ist von zweifelhaftem Wert für eine Annäherung zwischen griechischen und türkischen Zyprioten. Für die Administration des Phantomstaats „Türkische Republik Nordzypern“ sind die heranstürmenden SchülerInnen nur willkommene Gelegenheit, um auf eine angebliche griechische Gefahr hinzuweisen.

Die von Zyperns Präsident in einem Schreiben an die Bürgermeister Berlins beschworene „Berliner Luft der Kooperation“ ist auf Zypern noch nicht zu verspüren.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen