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FMLN bietet Cristiani-Regierung Feuerpause an

Die Menschen aus der Hauptstadt El Salvadors fliehen massenhaft vor den Bombardements der Luftwaffe / US-Repräsentantenhaus billigt 85 Millionen Dollar Militärhilfe für Regierung / Cristiani gibt sich siegessicher / FMLN setzt weiter auf Gespräche  ■  Von Ralf Leonhard

Managua (taz/afp) - Die Bombardements der umkämpften Stadtviertel von San Salvador, die die Luftwaffe den ganzen Dienstag überflog, löste einen Flüchtlingsstrom von Obdachlosen aus. Mit Koffern beladen oder ihre wenige Habe in ein Bettuch eingeschlagen, trafen am Dienstag bei beständigem Regen Hunderte aus den umkämpften und zum Teil zerstörten Vororten an der nördlichen Peripherie des etwas ruhigeren Zentrums der Hauptstadt ein. Vor allem Schwangere und Frauen mit Kleinkindern zogen es vor, die Gefechtsgebiete zu verlassen, als sie erkannten, daß die Kriegssituation noch lange anhalten könnte. Comandante Rabindranath Armijo, der im Arbeiterbezirk Zacamil in aller Gelassenheit eine Pressekonferenz gab, bot der Regierung eine Feuerpause an, um die akuten Versorgungsprobleme der Zivilbevölkerung zu lindern. Diese ist nicht nur den Luftangriffen der Armee ausgesetzt; sie leidet auch unter dem Mangel an Wasser, Strom, Nahrungsmitteln und Medikamenten. In 60 Prozent El Salvadors war am Dienstag der Strom ausgefallen, 40 Prozent des Landes waren ohne Wasser, auch die Telefonleitungen waren gestört. Der Verkehr war fast völlig zum Erliegen gekommen. Nicht überall gab es Supermärkte und Apotheken, die geplündert werden konnten.

Die rechte Arena-Regierung ist jedoch nicht daran interessiert, der Guerilla das soziale Problem abzunehmen, das die Situation in den militärisch konsolidierten Zonen unhaltbar machen könnte. „Der faschistische Charakter des Regimes wird damit offensichtlich“, kommentierte Mario Lopez, ein Mitglied der Politisch-Diplomatischen Kommission (CPD) der FMLN, bei einer Pressekonferenz in Managua. Die linke „National-Union Salvadorianischer Arbeiter“ (UNTS), der größte Gewerkschaftsverband des Landes, drohte mit einem Generalstreik, um die Regierung zur Einstellung der Luftangriffe auf zivile Wohngebiete zu zwingen. Die Behörden beschuldigten die UNTS am Dienstag der Unterstützung der Guerilla-Offensive.

Die CPD bemüht sich darum, einerseits die Weltöffentlichkeit auf die Massakerpolitik der Arena -Regierung aufmerksam zu machen, und andererseits eine Reihe von Regierungen für eine Mittlerrolle zu gewinnen, um die Regierung für ernsthafte Gespräche an den Verhandlungstisch zu bringen. Denn anders als bei der Großoffensive vom Januar 1981 spricht die FMLN diesmal nicht von einer „Schlußoffensive“, deren Ziel die Machtübernahme ist. Sie wollte vielmehr, wie Lopez deutlich machte, durch eine eindrucksvolle Demonstration militärischer Stärke und der Verankerung im Volk verbesserte Ausgangsbedingungen für neue Verhandlungen mit der Regierung schaffen. Tatsächlich hat die Cristiani-Regierung auch vier Tage nach Beginn der FMLN -Offensive nicht die Initiative zurückgewonnen. Die FMLN -Guerilla schlug nach eigenen Angaben sowohl die Angriffe der Armee in der Hauptstadt als auch in San Miguel zurück. Dennoch erklärt Präsident Cristiani, die Regierung „sei niemals in Gefahr“ und die FMLN habe nicht die Unterstützung des Volkes. Um die Regierung Salvaldors zu unterstützen, billigte unterdessen das US-amerikanische Repräsentantenhaus am Dienstag weitere Militärhilfe für die Arena-Regierung in Höhe von 85 Millionen Dollar.

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