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Namibias Parteien zeigen sich kooperativ

Nach dem Wahlergebnis der ersten freien Wahlen zur Unabhängigkeit spricht Swapo-Chef Nujoma vom Festhalten am Weg der Versöhnung / Parteien zur Zusammenarbeit bereit / Wird der Vorsitzende der weißen rechten ACN Landwirtschaftsminister?  ■  Aus Windhuk Hans Brandt

„Das ist nicht nur ein historischer Erfolg für Swapo. Es ist ein Sieg für die gesamte Nation Namibia“, so Swapo-Chef Sam Nujoma gestern vor der Presse in Windhuk. Doch der Sieg der Swapo nach den unter Aufsicht der UNO abgehaltenen Unabhängigkeitswahlen war weniger überwältigend, als Nujoma selbst vorausgesagt hatte. Statt mit erwarteten 80 Prozent mußte sich die Organisation mit 57 Prozent der Stimmen und 41 Mandaten in der 72 Sitze umfassenden verfassungsgebenden Versammlung abfinden.

Um eine Verfassung mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit zu verabschieden, wird Swapo mit anderen Parteien zusammenarbeiten müssen. Wichtigste Oppositionspartei ist die „Demokratische Turnhalle Allianz“ (DTA). Sie schnitt besser als erwartet ab und erreichte 21 Mandate. Ebenfalls in der Versammlung vertreten sind die linksliberale „Vereinigte Demokratische Front“ (UDF) mit vier Mandaten, die konservative weiße „Aktion Christlich National“ (ACN) mit drei und drei kleine Parteien, FCN, NNF und NPF mit jeweils einem Mandat. „Swapo wird von ihrer Politik der nationalen Versöhnung nicht abweichen“, versicherte Nujoma gestern. „Wir sind bereit, mit allen Bereichen unserer Gesellschaft zusammenzuarbeiten, um dem Land Fortschritt zu bringen.“ DTA-Führer Dirk Mudge betonte seinerseits, daß seine Partei zwar keine formelle Koalition anstrebe, zur Zusammenarbeit jedoch bereit sei. „Wenn Swapo mit einem Vorschlag kommt, mit dem wir uns abfinden können, dann werden wir ihn unterstützen.“

Justus Garoeb, Führer der UDF, betonte ebenfalls seine Bereitschaft, eine „konstruktive Rolle“ zu spielen. „Wir haben zur Zeit keine Pläne, Koalitionen zu bilden. Aber auch mit unseren wenigen Stimmen sind wir in einer starken Position.“ Auch ACN-Führer Jan De Wet, dessen Partei sich für den Schutz der Rechte der Weißen einsetzt, zeigte sich konziliant. „Wir würden sogar in einer zukünftigen Regierung mitmachen“, so De Wet.

Swapo selbst strebt offenbar keine formelle Koalition an. Die Unabhängigkeitswahl sei keine „Wahl der Parteien“ gewesen, sagte Nujoma. „Das namibische Volk hat sein lange Zeit nicht erreichtes Recht zur Selbstbestimmung und Unabhängigkeit gewonnen“, meinte er. Deshalb gebe es keine Verlierer.

Er strebe eine Regierung an, in der wichtige gesellschaftliche Gruppen durch Einzelpersonen vertreten sind. „Ob Geschäftsleute oder Kirchenführer, einzelne namibische Patrioten werden auch beteiligt werden.“

Spekuliert wird beispielsweise über die Möglichkeit, daß De Wet Landwirtschaftsminister in einer Swapo-Regierung werden könnte. Mudge könnte Finanzminister werden. Der Führer des Herero-Stammes und DTA-Präsident, Häuptling Kuaima Riruako, könnte als Vizepräsident Nujomas Stellvertreter werden. Verschiedene afrikanische Länder, die ebenfalls nach ihrer Unabhängigkeit gegen ethnische Konflikte zu kämpfen hatten, haben der Swapo geraten, auf diese Weise lähmende Stammesdifferenzen zu vermeiden.

Jede Zusammenarbeit zwischen politischen Parteien wird allerdings erschwert durch zahlreiche Persönlichkeitskonflikte. Der DTA-Vizepräsident Mishake Muyongo ist beispielsweise ein ehemaliges führendes Swapo -Mitglied, der unter Protest die Organisation verließ. Zur UDF gehört eine Partei, die von ehemaligen Gefangenen der Swapo, die zum Teil schwer gefoltert wurden, gegründet wurde. In der Frage der Foltervorwürfe gegen Swapo blieb Nujoma gestern allerdings unnachgiebig.

„Wir wollen ein neues Kapitel in der Geschichte eröffnen“, sagte er. „Wir wollen denjenigen vergeben, die Falsches getan haben, und auch denjenigen, die uns Böses angetan haben.“ Eine interne Untersuchungskommission werde niemandem dienen. Um Zweifel auszuräumen und die namibische Bevölkerung zu vereinigen, wird Nujoma deutliche Zeichen der Versöhnung setzen müssen.

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