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Mehr Mumm

Rot-Grüne Flüchtlingspolitik im Schatten des 9. November  ■ K O M M E N T A R

Momper auf der Bühne beim Ost-West-Rockkonzert, Momper im Bad der Menge am Potsdamer Platz, Momper beim Auszahlen von Begrüßungsgeld im Rathaus. Der Regierende - und in seinem Schlepptau die SPD - surfen auf der Popularitätswelle. Da scheut man auch nicht den Clinch mit einer völkisch dümpelnden Bundesregierung oder mit der eigenen Parteispitze, wenn die zuviel über Wiedervereinigung faselt. So viel Selbstbewußtsein - möchte man meinen - überträgt sich auch auf andere Bereiche, zum Beispiel auf die AusländerInnen-und Asylpolitik. Damit hat sich gerade die SPD schon vor dem 9.November schwer getan: Für einen humanen Umgang mit Flüchtlingen wird man nicht auf offener Straße beklatscht - und auf des Volkes Liebesentzug haben Sozialdemokraten immer schon traumatisch reagiert.

Wie aber soll in einer Stadt, in der es verdammt eng werden wird, multikulturelle Toleranz gepredigt werden, wenn kurz nach Öffnung der Mauer bekannt wird, daß möglicherweise über 10.000 Polen hier ihre Koffer packen müssen? Auch wenn der Termin ein unglücklicher Zufall war, das Gerede von der „Metropole“ und vom „Scharnier zwischen Ost und West“ bleibt einem erst mal im Halse stecken. Und wie, bitteschön, steht es um den multikulturellen Charakter dieser Stadt, deren Innensenator nicht einmal den Mumm aufbringt, die Flüchtlingsweisung durchzusetzen? Es erwartet ja keiner, daß Tamilen, Kurden oder Libanesen vor der Berliner Bank um Begrüßungsgeld anstehen dürfen oder ihnen „Kaiser's“ Freßtüten um die Ohren fliegen. Aber die Weisung muß wieder in Kraft treten - in ihrer ursprünglichen Substanz und sofort!

Und um Mißverständnissen vorzubeugen: seit dem 9. November steht vieles aus den Koalitionsvereinbarungen zur Disposition, nicht aber das Kapitel „ImmigrantInnen- und Flüchtlingspolitik“. Erich Pätzold könnte da vorbildlich Klarheit schaffen, indem er tamilischen, kurdischen oder libanesischen Flüchtlingen die Aufenthaltserlaubnis in den Paß stempelt - im Rathaus natürlich.

Andrea Böhm

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