piwik no script img

Standbild: Satirebrocken

■ Jetzt schlägt's Richling

(Jetzt schlägt's Richling, Mi., 15.11., ARD, 23.00 Uhr) Auf nachtschlafene Zeit hat die ARD eine neue Sendung verlegt, die so kurz ist, daß sie auch auf jeden anderen Programmplatz rutschen könnte - doch selbst um 23 Uhr ist der ARD-Oberin Ulrike Wolf diese Sendung noch zu früh, sie sähe das Ganze am liebsten hinter die Nationalhymne verbannt - also überhaupt nicht. Die Rede ist von Jetzt schlägt's Richling, einem fünfminütigen Satirehappen, den der Kabarettist Matthias Richling im Auftrag von Radio Bremen nach den Tagesthemen servieren darf. Daß er in aller Kürze dabei schwerere Brocken liefert als mancher langatmig quietschende Scheibenwischer, daß er sich auf telegenes Dünnbrettgealber nicht einläßt, sondern sagt, was politisch Sache ist, gibt Sendungen wie dieser wenig Zukunftschancen. Ginge es mit rechten Dingen zu, und würde das Geschrei nach Reformen drüben nicht nur die Notwendigkeit derselben hüben überdecken, müßten nach jeder „Tages„schau die Nachrichten so gegen den schurnalistischen Strich gelesen werden, wie Richling es tut - wenn aber selbst derart seltene Häppchen noch mittels Spättermin unter die Fünfprozentklausel gedrückt und rausgeekelt werden, dann ist die ARD auf dem besten Weg, zu werden, was das DDR-Fernsehen gerade hinter sich läßt: reines Propagandainstrument der Regierenden. Denn es ist ja nicht so, daß Richling mit seinen Kommentaren zu Kohl („Er war in Polen, um sich an der Vergangenheit zu labern“ ... „Das Rathaus Schöneberg müßte in Platz des himmlischen Kohls umbenannt werden“) extreme, radikale Minderheitsmeinungen vertritt. Im Gegenteil: Im Gewand des schwäbischen Spießers vertritt der Kabarettist Ansichten, die populär und weit verbreitet sind bei denen, die neuerdings wieder mit „Wir sind das Volk“ zitiert werden. Es war nicht der „Mob“, es waren Otto und Ottilie Normal, die den tumben Polit-Roboter Kohl ausbuhten, es war nicht extreme Linke, sondern die breite Masse, die sich angesichts der pharaonenhaften Dämlichkeit ihres Kanzlers vor dem TV halbtotlachte. Auch Richling zeigte keine klammheimliche, sondern offene Freude - daß derlei Normalität von den mit ihrer Karriere am Parteientropf hängenden ARD-Gewaltigen nur naserümpfend zur Kenntnis genommen wird, zeigt, wie wenig diese „freien“ Journalisten der neuen BRD von der Dumpfheit der alten DDR entfernt sind.

mbr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen