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Arabisierung durch Deportation

■ Schätzungsweise eine Million irakischer Kurden von Saddam Husseins Deportationspolitik betroffen / Seit 1985 fast 4.000 kurdischer Dörfer im Irak zerstört / Entvölkerte Gebiete reichen bis zu 150 Kilometer ins Landesinnere

Die irakische Regierung in Bagdad leistet ganze Arbeit: Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hat das Regime Saddam Husseins seine Deportationspolitik in Kurdistan weitgehend abgeschlossen, eine Politik, die einer völligen Vernichtung der vorwiegend bäuerlichen kurdischen Gesellschaft gleichkommt.

Von den Deportationen ist das gesamte irakische Kurdistan betroffen. Die zwangsweise umgesiedelten Kurden sind derzeit meist in Lagern entlang der großen Straßen untergebracht, ohne Wasser- und Stromversorgung, Schulen und ärztliche Versorgung und ohne Verdienstmöglichkeiten. Daher befürchten kurdische Politiker auch, daß die Bevölkerung langfristig in den arabischen Südirak verschickt werden soll, wo es Industrie und Arbeitsplätze gibt.

Anders als der östliche Teil von Irakisch-Kurdistan, der völlig entvölkert werden soll, werden im westlichen Teil Araber aus anderen Regionen des Landes angesiedelt - ein gigantisches Umsiedlungsprogramm also, das den Aktivitäten der kurdischen Parteien und Kämpfer, die sich für eine Autonomie-Regelung einsetzen, den Boden entziehen soll. Das Argument der Regierung, bei der Operation handele es sich um die Schaffung einer Sicherheitszone entlang der iranisch -irakischen Grenze, straft schon der Blick auf die Karte Lügen: Die entvölkerten Gebiete reichen bis zu 150 Kilometer weit ins Landesinnere.

In dieser Region sind, abgesehen von den Lagern, lediglich kleine Flecken noch bewohnt. Noch, denn in diesem Jahr hat sich die Regierung vorgenommen, einen weiteren dieser Flecken zu entvölkern: die Grenzstadt Qala Diza mit 100.000 Einwohnern. Die Kurden rechnen damit, daß im nächsten Jahr weitere Städte und Dörfer drankommen, in denen noch Menschen leben. Langfristig, so fürchten sie, werden nur fünf Städte übrig bleiben: Suleimaniya, Kirkuk, Erbil, Dihok und Zakho.

Die Deportationspolitik gegenüber den Kurden im Irak hat Tradition: Sie wurde eingeleitet, als sich die jetzt in Bagdad herrschende Baath-Partei im Jahre 1963 das erste Mal an die Macht putschte. 1976, nach einer Niederlage der kurdischen Bewegung, wurde sie wieder aufgenommen und in den letzten Jahren weiter forciert. In der Zeit zwischen 1985 und 1988 wurden nach einer kurdischen Zählung, soweit bekannt, 3.839 Dörfer und Städte zerstört, unter den zerstörten Gebäuden 1.757 Schulen, 2.457 Moscheen und Kirchen, 271 Krankenhäuser. Die Zahl der deportierten Familien beläuft sich auf 219.828. Wenn man davon ausgeht, daß jede Familie rund sieben Personen umfaßt, kommt man auf eine Zahl von über einer Million Menschen, die von dieser Zwangsmaßnahme betroffen wurden. Die tatsächliche Zahl der Vertriebenen liegt noch höher.

b.s.

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