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Umweltpädagogik mit Zeichenfinger

■ Der „Bremer Umweltkalender 1990“ präsentiert alte Märchen im neuen Putz

Daß die Umwelt ziemlich mitgenommen ist, wissen wir. So mitgenommen, daß es in Bremen schon so lange einen SenatorIn für Umweltschutz gibt, wie wir uns erinnern können. Was wir auch wissen, ist, daß eine Senatorin für Umweltschutz und Stadt

entwicklung noch lange keine umweltschonende Stadtentwicklung macht.

Was tut also eine Umweltschutz-Senatorin, wenn sie ein Referat Öffentlichkeitsarbeit beschäftigen will und auch selbst irgendwie ein bißchen für irgendwie umweltrelevant gehalten werden will? Richtig, sie gibt eine Broschüre heraus, eine Presseerklärung, und/oder, wie in unserem Fall, einen Kalender.

Märchen sind auf den zwölf Monatsblättern gezeichnet, aktualisierte Versionen der Grimmschen, deren Text-Versionen die Rückseiten der Blätter beschweren. Und die Märchen sind selbstredend nicht nur für die Kinder gedacht, sondern auch um „zumindest einen Teil derjenigen, für die das Thema 'Umweltschutz‘ bislang nicht auf der Tagesordnung stand“, zu erreichen. Auch wenn, wie Umweltschutz-Senatorin Eva-Maria Lemke-Schulte anmerkt, „der bedenkliche Zustand leider kein Märchen ist“, soll jedes einzelne Aktualitäts-Pack zum Denken anregen, dazu, „die Phantasie, die notwendig ist, unsere Umwelt zu gestalten und die Natur in ihrer ganzen Schönheit zu erhalten“, zu entwickeln. Phantasie also. Und ich dachte, es

läge an der Macht, dem Geld und solchen Profanitäten.

Und was räumen sie auf, die aktualisierten Märchen, mit den alten Vorurteilen, wie der Legende vom Bösen Wolf, der doch in unserer Wirklichkeit, die komplette Familie Geiss vor den Ausdünstungen des vermeintlich soliden Maler-Handwerks rettet, oder aber als Kopie eines Schauspieloberleiters mit seinem Hobel nur aus Versehen Rotkäppchens Oma übermangelt. Und dann ließ „der Senat dieser Stadt, der immer sehr besorgt um seine Bewohner war“, und einsichtig und gut (wahrscheinlich lauter Sozialdemokraten), doch prompt eine verkehrsberuhigte Straße bauen. So schön ist das in der neuen Welt.

Wir, die wir uns sonst nicht für umweltpolitische Rezepte interessieren, bekommen so eine ganze Menge mitgeteilt: daß giftige Farben giftig sind; daß Motorräder so laut sind, daß Omas genervt knottern und daß sie auf Ölspuren ausrutschen; wir lernen, daß explodierende AKWs große Verheerungen anrichten und daß „schrecklich fette und süße Speisen“ schrecklich sind. Wir lernen also ganz viel, ganz schrecklich viel und alles ohne den Zeigefinger zu heben.

Und die Illustrationen dazu: schön bunt pastellen, ganz wie sich die PädagogIn vorstellt, daß man unpädagogisch die Phantasie von Kindern anregt. Dabei schön kryptisch, ein paar Zeichen unverständlich auf Papier versammelt zu einem fröhlichen Gruselkabinett von Plattheiten, der Rückseiten -Text wird es schon erschließen.

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Der Bremer Umweltkalender 1990, von dem es auch eine Bremerhavener Ausgabe gibt, kann bei der Senatorin für Umweltschutz und Stadtentwicklung (Ansgaritorstr. 2) kostenlos abgeholt werden. Außerdem gibt es ihn bei den Beratungsstellen der Bremer Umweltberatung (BUB).

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