: Bloch und Havemann rehabilitiert
Posthum wurden die von den Stalinisten ungeliebten Geister in die Akademie der Wissenschaften wieder aufgenommen / Havemann und Bloch hatten sich vor allem mit der Bürokratie angelegt ■ Von Erich Rathfelder
Berlin (taz) - Das ist schon schön zu hören, was die Akademie der Wissenschaften der DDR am Donnerstag beschlossen hat: Ernst Bloch, der Philosph und Autor von Prinzip Hoffnung und Geist und Utopie, und Robert Havemann, der Chemiker und Naturphilosoph, beides deutsche Revolutionäre, seit den fünfziger Jahren von den Kollegen geschnitten und von der Obrigkeit verfolgt, sind wieder, wenn auch posthum, Mitglieder der Akademie der Wissenschaften.
Das Gremium folgte einer „Empfehlung der Klasse Philosophie, Ökonomie, Geschichte, Staats- und Rechtswissenschaften und der Klasse Chemie“, berichtete 'adn‘. Doch es ist kein Geheimnis, daß seit der Gründung des „Robert Havemann Kreises“ im Kulturbund und seit dem Philosophentag die Diskussion an der „Basis“ der Akademie deutlicher wurde. Den Wissenschaftlern geht es nicht nur darum, die politischen Fehler der Vergangenheit zu korrigieren, sondern auch das „linke Erbe“ der DDR -Geschichte zu retten.
1949 kehrte Ernst Bloch (1985-1977) aus seiner Emigration in den USA zurück. Die Leipziger Universität hatte ihm einen Lehrstuhl angeboten. In den ersten Jahren zog Bloch viele Studenten an, sein Lehrstuhl wurde zu einem Zentrum der Diskussion in der DDR. Der Philosoph wurde sogar zum Vorsitzenden der Sektion „Philosophie der Akademie der Wissenschaften“ bestimmt.
Bloch, der in den dreißiger Jahren noch einige apologetische Texte zum Stalinismus geschrieben hatte und auch später direkte Angriffe auf die Entwicklung in der Sowjetunion vermied, geriet jedoch nach einer von ihm einberufenen internationalen Konferenz ins Kreuzfeuer der Kritik der Parteiorthodoxen. Das Problem der Freiheit im Lichte des wissenschaftlichen Sozialismus, so der Titel der Konferenz, durfte nicht weiterverfolgt werden, denn seine Attacke an die Adresse der Bürokratie und sein Eintreten für Rätedemokratie klangen den Parteioberen schon zu laut in den Ohren.
Als er es am 14. November 1956 auf einem Hegelkongreß zum 125. Todestag des Philosophen auch noch wagte, die Partei aufzufordern, „statt Mühle endlich Schach“ zu spielen, den Sozialismus also auf eine mit seinem Freiheitsbegriff vereinbare Stufe zu heben, war das Faß übergelaufen. Seine Philosophie wurde als „antimarxistisch“ und „revisionistisch“ verteufelt. Bloch durfte nicht mehr öffentlich auftreten.
Doch Bloch blieb bei seiner Kritik des Geschichtsdeterminismus und beharrte auf seinem Begriff von Subjektivität und Freiheit. 1957 mußte er seinen Lehrstuhl räumen.
Auch seine engsten Mitarbeiter, wie Wolfgang Harich und Gerhard Zwerenz, gerieten in die Schußlinie der Orthodoxie, sie wurden sogar zu Gefängnisstrafen verurteilt. Trotz dieser Repression blieb Bloch in der DDR und arbeitete an seinem Werk Naturrecht und Menschliche Würde. Nach dem Bau der Mauer kehrte Bloch von einem Besuch in der Bundesrepublik nicht mehr nach Leipzig zurück.
Dagegen blieb Robert Havemann (geb. 1910) bis zu seinem Tode im April 1982 immer in der DDR. Havemann war bis zuletzt poltitisch aktiv, mischte sich ein, motivierte die linken Oppositionellen in der DDR, unabhängige Gruppen zu gründen, erhob seine Stimme bei Menschenrechtsverletzungen und engagierte sich noch in seinen letzten Jahren in der unabhängigen Friedensbewegung.
1943 von den Nazis zum Tode verurteilt, saß der Kommunist Havemann zusammen mit Erich Honecker im Zuchthaus Brandenburg und organisierte dort den illegalen Widerstandskampf, bastelte dort sogar einen illegalen Sender und gab eine Zeitung heraus. Von 1945 bis 1950 leitete der Chemiker das Kaiser-Wilhelm-Institut in Berlin Dahlem, wurde jedoch von den Amerikanern entlassen, weil er gegen die Entwicklung der Wasserstoffbombe protestiert hatte. Er wechselte in das physikalisch-chemische Institut an der Humboldt-Universität, wurde dort Direktor und erhielt 1959 den Nationalpreis.
Als er jedoch in einer Vorlesung 1964 seine „Dialektik ohne Dogma“ skizzierte, verlor er alle seine Ämter. Zwei Jahre später erfolgte sein Rausschmiß aus der Akademie. Seine Kritik an der dogmatischen Erstarrung der DDR, seine Kritik an der Bürokratie, am Staatssicherheitsdienst und an der Ausbürgerung von Wolf Biermann 1976, machte die Führung der SED so nervös, daß sie ihn von 1976 bis 1978 unter Hausarrest stellten.
Parallel dazu lief damals eine Verhaftungswelle durch die DDR, während diejenigen, die mit Havemann Kontakt hatten, wie Jürgen Fuchs, Gerulf Pannach, Christian Kunert, Bernd Markowski und andere zur Ausreise gezwungen wurden. Doch Havemann steckte nicht auf. Die Akademie der Wissenschaften der DDR wird vielleicht nun sogar daran gehen, die Bücher Havemanns, die bisher nur im Westen erschienen sind, auch in der DDR herauszugeben.
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