Salvadors Armee ermordete Jesuiten

■ Umstände und Augenzeugen lassen keine Zweifel an der Urheberschaft

Fast zehn Jahre nach dem Mord an Erzbischof Romero wurde die blutige Geschichte El Salvadors durch eine Bluttat ähnlichen Ausmaßes bereichert. Ignacio Ellacuria, der Rektor der Jesuitenuniversität (UCA), und fünf weitere Jesuitenpatres wurden in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag von einem Terrorkommando aus ihren Betten gezerrt und zusammengeschossen.

Die Leichname, drei von ihnen nur mit Morgenmänteln bekleidet, bieten einen grauenerregenden Anblick: Die Gesichter sind durch Kopfschüsse völlig entstellt. Neben einem der Toten liegt eine komplette Gehirnmasse, eine blutige Schleifspur führt ins Gebäude, dessen Außenwand wie eine Exekutionsmauer mit Blut bespritzt ist. Zwei Bewaffnete mit unbeweglichen Gesichtern beobachten das Gerichtspersonal, das mit der Spurensicherung begonnen hat.

Rund 30 Bewaffnete in Uniform waren um etwa 2:30 früh in das Wohnhaus der Patres eingedrungen, das hinter dem Campus der UCA, am Südostrand San Salvadors gelegen ist. Sie verschafften sich mit Granaten Zutritt zum Gebäude und schleppten Ellacuria sowie die Professoren Segundo Montes und Ignacio Martin-Baro vor das Haus, warfen sie auf den Rasen und massakrierten sie mit Gewehrsalven. Drei weitere Patres und Professoren wurden an die Wand gestellt und niedergemacht. Dann entdeckten die Täter die Köchin Elba Ramos und deren 15jährige Tochter Celinda, die alles beobachtet hatten. Die beiden Frauen wurden buchstäblich durchsiebt bevor die Mörder sich im Pastoralzentrum Oscar Arnulfo Romero austobten, das im Untergeschoß liegt. Dort steckten sie unter anderem eine Computeranlage und ein Portrait des ermordeten Erzbischofs in Brand.

Dies ist der Tathergang, den die Jesuiten auf der Grundlage von Indizien und zwei Zeugenaussagen rekonstruierten. Die beiden völlig verängstigten Zeugen blieben ungenannt und zogen es vor, für einige Zeit unterzutauchen. Jose Maria Tojeida, der Provinzial der Societas Jesu für Zentralamerika, sprach deutliche Worte, ohne die Täter beim Namen zu nennen: „Monsignore Rivera hat gesagt, es waren dieselben, die Erzbischof Romero getötet haben. Der Meinung schließe ich mich an.“ Er stellte fest, daß die Umgebung des Tatortes militarisiert sei und er selbst wenige Stunden vor dem Mord noch Soldaten auf der Straße gesehen habe. Keiner, der nicht mit der Armee zusammenarbeitet, hätte sich Zutritt verschaffen können. Außerdem waren die Wohnräume der Patres erst Montag Ziel einer Haussuchung der Finanzpolizei. Über die gleichgeschalteten Radios wurden am Wochenende mehrere Geistliche als angebliche Verbündete der Guerilla bedroht.

Die Jesuitenuniversität und ihre Professoren, die sich zwischen der rechten Regierung und der FMLN als dritte Kraft zu profilieren versucht, waren schon häufig Ziel von Drohungen. Ellacuria war einer der am meisten respektierten Kritiker des Regimes. Segundo Montes stand einer Menschenrechtskommission der UCA vor. Ellacuria war erst Montag von einer Reise durch die Bundesrepublik und Spanien zurückgekehrt, wo er mit einem Menschenrechtspreis ausgezeichnet wurde. Hier wird die Bluttat mit dem Mord am Verleger Pedro Joaquin Chamorro in Nicaragua verglichen, der zur Isolierung des Diktators Somoza führte.

Obwohl die Regierung und der Generalstab ein Kommunique herausgaben, in dem sie die Tat verurteilten ohne die Schuld zuzuweisen, meldeten sich bald Funktionäre wie etwa Vizeaußenminister Valdivieso zu Wort, die die Guerilla, die seit einigen Tagen ganze Stadtteile von San Salvador besetzt hält, verantwortlich machten. Präsident Cristiani wollte vor einer Untersuchung keinen Verdacht aussprechen. US -Botschafter William Walker erklärte in einer ersten Stellungnahme, man müsse um die von den USA geförderte Demokratisierung besorgt sein, wenn keine ernsthaften Untersuchungen angestellt würden. Er sehe jedoch den politischen Freiraum für die demokratische Linke durch die Morde nicht bedroht.

Die Spitzenpolitiker der Linksparteien sind weniger optimistisch. Der Sozialdemokrat Guillermo Ungo hat schon am Sonntag in der venezolanischen Botschaft Zuflucht gesucht. Gewerkschafter und Vertreter von humanitären Organismen haben sich in der Hoffnung auf Schutz in den großen Hotels eingemietet. Der Koordinator der offiziellen schweizerischen Entwicklungsprojekte, Gino Baumann, wurde Dienstag von der gefürchteten Finanzpolizei aus seinem Haus geholt und zwei Tage später deportiert.