Papierischer Tanz

■ Tanz-Performance von Barbara Baum & Barbara Reinhard

In papierlosen Computerzeiten Papier neu erfinden, das Material Papier zu einem Gegenüber werden lassen, ihm Musik entlocken, es be-tanzen: Die beiden Performance -Künstlerinnen Barbara Baum und Barbara Reinhard führten das am vergangenen Freitag ihrem weiblichen Publikum im Bürgerhaus Weserterrassen vor.

Die eine klein und rund, die andere bestimmt drei Köpfe größer und schlaksig, stehen sie in papierfarbenen Seidenkostümen vor einem schwarzen Vorhang.

Da wird eine Tänzerin aufs Papier geführt und verharrt dort, ganz Baum, das Publikum mit ihrem blauen Blick gefangen, bis die Fußwurzeln dem leblosen Papier lebendige Knittergeräusche entlocken und die Bewegung langsam bis zu diesem unbeteiligten Blick hinauf wächst. In diesem Moment zerreißt das Papier, die Baum wird zu einer zeitlupen

laufenden Schlittschuhtänzerin, das Papier zum ironisierten Brautschleier.

„Papierisches“: in acht Akten auf die Bühne gebracht, acht Geschichten erzählend, getrennt durch das Hell und Dunkel der Scheinwerfer.

Da hängt Papier von der Decke, grell von unten bestrahlt, glatt und unberührt. Kaum merklich entstehen Glühwürmchen, feine beleuchtete Ausbeulungen von hinten. Ein unsichtbarer Finger zeichnet Figuren, beginnt ein spannungsvolles Spiel mit Licht und Schatten. Gespenster schrumpfen und wachsen, lassen den Papiervorhang beben und - Schluß der Szene, die Spannung läßt ihren Höhepunkt nach links und rechts wegfließen. Schade.

Nicht alle Geschichten sind zu Ende gedacht in diesem Stück, nicht alle Bewegungen zu Ende bewegt, und doch schaffen es Barbara Baum und Barbara Reinhard immer wieder, mit ihren Ideen zu faszinieren.

Wenn das Papier einmal keine Rolle spielt, dann sind es zwei Stimmen, die in bebenden Bäuchen auf dem Boden liegen. Stimmen, die zusammenlaufen, sich kommentieren, die einer in die Ohren kriechen und vor den geschlossenen Augen einen süßlichen Comic entstehen lassen oder an zu schnell abgespielte Platten in der Kindheit erinnern.

Höhepunkt des Abends: Zwei Tänzerinnen gucken dich an, legen sich den Scheitel, schnipsen sich einen Fussel von der Schulter und sind dabei unwiderstehlich mondän. Alltagsgesten werden zu einem Ritual, klar getanzt entstehen sich karikierende Dämchen, werden zum Leitmotiv ihres new dance.

Zwei Künstlerinnen, deren Freude am Experiment und deren Humor ins Publikum hinübertanzt. Vera Kuenze