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Rüstungskonversion: hier und jetzt

■ Bremer Kongreß sucht nach einem regionalen Anfang / Drei Forderungen an den Senat gestellt

Rüstungskonversion will die Umwandlung militärischer Produktionsbereiche in die Fertigung umweltfreundlicher und ökologischer Technologie. Wie das am besten und schnellsten bewerkstelligt werden kann, damit befaß te sich am Samstag der Kongreß „Chancen für Rüstungskonversion“, zu dem neben vielen Fachleuten aus Gewerkschaften und Wissenschaft auch Bürgermeister Klaus Wedemeier und Justizsenator Volker Kröning eingeladen waren. Veranstalterin der Tagung war die „Bremische Stiftung für Rüstungskonversion und Friedensforschung“, die damit nach ihrer Gründung im Mai dieses Jahres zum ersten Mal an die Öffentlichkeit trat.

Rüstungskonversion sei kein linkes Spinnerthema, eröffnete Volker Kröning und forderte regionalpolitische Konsequenzen: „Rüstungskonversion ist ein industrie- und sicherheitspolitisches Instrument, das unseren Zielen auf den Feldern der Wirtschaft, Arbeit, Ökologie, Soziales, Entwicklung und Frieden dienen kann.“

„Wir müssen hier tun, was wir können“, hatte der Wirtschaftswissenschaftler Jörg Huffschmidt gefordert, weil eine unverminderte Rüstungsproduktion die Entwicklung zu Frieden und Abrüstung blockieren könnte. „Es besteht die Gefahr, daß wieder einmal keiner darauf eingestellt ist“, formulierte Huffschmidt als Befürchtung, was die Skeptiker bereits vom Dach pfeifen: Die aus Daimler-Benz und MBB hervorgegangene 'Systemtechnik Nord‘ läuft Gefahr, Bremen in eine noch stärkere Abhängigkeit vom Rüstungssektor zu stürzen. Für die kommenden fünf Jahre ist die Produktion des neuen Unternehmens mit Rüstungsaufträgen abgesichert. Bürgermeister Wedemeier: „Wir müssen dafür Sorge tragen, daß danach zivile Produkte erstellt werden.“ Das allerdings sei die Sache des Unternehmens, das im Betrieb entsprechende Stellen für zivile Forschung einrichten müsse, und die des Bundes: Ein Konversionsfonds müsse in Bonn eingerichtet werden, aus dem alternative Forschungsvorhaben finanziert wer

den könnten. Bremen habe für solche Zwecke keine Mittel frei.

Doch weil Bonns Ab- und Umrüstungsinitiativen noch auf sich warten lassen werden, diskutierte man lieber Möglichkeiten für das Land Bremen: Ein Konversionsinstitut aus Senatsmitteln wurde da zum Beispiel gefordert, doch der Bürgermeister, konkret darauf angesprochen, gefiel sich als Orakel besser denn als Politiker: Er wolle lieber nicht direkt darauf antworten, aber er habe sehr genau zugehört.

Es gab viele Vorschläge: Milliardeneinsparungen im Rüstungshaushalt, Einsetzung eines Konversionsbeirates, Streichung der Bundesförderung für Rüstungsaufträge, Änderungen im Betriebsverfassungs- und Mitbestimmungsgesetz, die den ArbeitnehmerInnen die Mitsprache in der Produkterstellung sichern, Konversion als Programm der Wirtschaftsförderung im Land Bremen. Doch wirklich effiziente Maßnahmen lassen sich gegenwärtig nicht durchsetzen. „Programmatisches Handeln ist zur Zeit schwer“, formulierte der

Ökonom Rudolf Hickel das Dilemma der Rüstungskonversion, für die außer gutem Willen so gut wie keine Voraussetzung erfüllt ist. Was man seit der Werftenkrise in der Entwicklung alternativer Produkte verschlafen habe, könne jetzt nicht in kurzer Zeit aufgeholt werden.

Am Abend einigte sich das reichlich dezimierte Abschlußplenum auf einen Katalog mit drei Forderungen an den Senat des Landes Bremen und die Bürgerschaft. Erstens: Ein Konversionsbeirat soll eingerichtet werden, in dem Vertreter von Rüstungsunternehmen, Gewerkschaften und anderen betroffenen Verbänden mitarbeiten. Zweitens: Ein Konversionsfonds für Produktionsalternativen wird aus Steuermitteln und Einsparungen im Rüstungshaushalt finanziert. Drittens: In Bremen wird ein Institut für Konversionsforschung eingerichtet.

In den Arbeitsgruppen gab es am Samstag kaum gravierende Widersprüche. Grund: Die Vertreter der Industrie nahmen trotz Einladung nicht an den Diskussionen teil. Markus Daschne

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