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Autogerechtes Müggelsee-Surfen

■ Am Mittwoch gibt es Gespräche über die Ausweitung des innerstädtischen Sportverkehrs

Während über Wiedervereinigung dieser Tage viel und inbrünstig nachgedacht wird, sagt der Berliner Eishockeyclub BSC Preussen gleich, wo's langgehen soll. Im Zuge der Euphorie über die schnelle Einigung zwischen den Präsidenten des Deutschen Sportbundes (DSB) Hans Hansen und des Deutschen Turn-und Sportbundes (DTSB) Klaus Eichler schlug Preussen Manager Stefan Metz vor, die beiden Ostberliner Eishockeyclubs Dynamo Berlin und Dynamo Weißwasser heim in die Bundesliga zu holen. Dem stehe grundsätzlich nichts im Wege, erklärte der zuständige Direktor beim Deutschen Eishockeybund, Fritz Brechenmacher. Vorausgesetzt, der Weltverband gebe sein Placet, die Liga werde aufgestockt und die sportliche Qualifikation geregelt. Was die beiden DDR -Teams dazu sagen, war gestern leider nicht in Erfahrung zu bringen.

Seit der Abschaffung des „Sportkalenders“, der bis jetzt deutsch-deutsche Sportbegegnungen dosiert und reguliert hat, ist der Phantasie über den Sportstandort Berlin keine Grenzen gesetzt. Berlin-Marathon durch den Prenzlauer Berg, Hertha BSC und Blau-Weiß gegen den Stasi-Club SC Dynamo oder den Lokalmatador FC Union, volkseigene Pferde traben in Mariendorf, kapitalistisch motivierte Gäule über den Turf der traditionsreichen Rennbahn in Karlshorst. Surfer, die ihre Bretter per Rad oder Pedes zur Havel transportieren müßten, freuen sich schon auf den autogerechten Zugang zum Müggelsee; Westberliner Golfer träumen vom Einputten auf Ostberliner Rasen, der DFB weiterhin vom Länderspiel BRD gegen DDR im Olympiastadion. Für die gefrusteten DDR-Kicker böte sich immerhin die Chance, sich sportlich Genugtuung zu verschaffen, nachdem sie sich nicht für die Weltmeisterschaft qualifizierten.

Für den kommenden Mittwoch sind zwischen den Vertretern beider Seiten Gespräche über die Ausweitung des innerstädtischen Sportverkehrs geplant. Das Projekt Olympia 2004 in Berlin Ost und West wird allerdings kaum im Vordergrund stehen; es soll um konkrete Terminabsprachen für Eishockey- und Fußballspiele sowie um gemeinsame Trainingsmaßnahmen gehen. Bereits vorgesehen sind innerstädtische Begegnungen im Handball, Tischtennis, Boxen, Eishockey und Fußball. Praktisches Beispiel bietet die Fußball-B-Jugend von „Einheit Pankow“, die in einem Hallenturnier von Rapide Wedding teilnimmt. Was die Olympiabewerbung betrifft, so hat sich das Neue Forum mit einem bestechend vernünftigen Vorschlag zu Wort gemeldet: Man solle auf solche Vorhaben doch verzichten, solange die ökonomische Lage der DDR dies nicht gestatte.

anb

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