: Martialischer Name, zarter Klang
■ Ein Bericht vom 1.Internationalen Hackbrettfestival in München
Wer käme schon auf die Idee, bei so einem Namen an Musik zu denken? Hackbrett - das klingt eher nach Metzgergewerbe und Fleischereibetrieb. Ein Mißverständnis, das damit zu tun hat, daß das trapezförmige, holzkastenartige Saiteninstrument, welches mit kleinen Klöppeln geschlagen früher sagte man „gehackt“ - wird, heute fast niemand mehr kennt.
Allenfalls im „Underground“ der nichtkommerziellen Volksmusik hat es noch seine Nischen, wo es von einem kleinen Kreis hinterwäldlerischer Modernsierungsverweigerer große Wertschätzung erfährt, während das Big Business der Musikhitparaden und Millionenumsätze keine Notiz von ihm nimmt. Fast keine!
Denn das neu erwachte Interesse an regionalen Musikstilen von den musikalischen Globalstrategen „Weltmusik„-Trend genannt - ging auch an dem altmodischen Klöppelinstrument nicht ganz spurlos vorbei. Von wachsener Aufmerksamkeit wird berichtet, die möglicherweise auch Rudi Zapf („Münchens oberster Saitenklopfer“) veranlaßt hat, ein Festival zu organisieren, das sich drei Tage lang im Münchner Gasteig dem merkwürdigen Instrument mit dem zarten Klang und dem martialischen Namen widmete.
Internationalität war durch das Hackbrett selbst vorgegeben. Im Laufe seines langen Lebens (es wird im 11. Jahrhundert erstmals erwähnt) war es immer ein vagabundierendes Instrument, das sich in den Volksmusiken der halben Welt eingenistet hat: In England wird „Hammered Dulcimer“ gespielt, in Korea ist es als „Jang-kum“ in Gebrauch, in Frankreich heißt es „Tympanom“ und in Usbekistan „Tschang“.
Ursprünglich stammt es aus dem arabischen Raum, vielleicht aus Persien, wo es als „Santur“ bekannt ist. Über die Jahrhunderte ist hier eine Spielkunst herangrereift, die Huschang Moini meisterhaft vorführte. Die Hackbrettmusik des Vorderen Orients stammt aus mündlich überlieferter Tradition und kennt weder eine scharfe Trennung zwischen Kunstmusik und Volksmusik noch zwischen Tanz- und Seelenmusik. Mit seinem Partner, dem Trommler Mehrhar Bahrami schuf Moini ein fein verästeltes Tongeflecht, das trotzdem in bewundernswerter Weise ruhige Teile mit rasant schnellen Passagen zu verbinden wußte. Virtuose Brillanz zeichnete auch den Chinesen Li Xiao Gang aus, der auf dem „Yang Qin“ dem chinesischen Hackbrett - zu hören war, was übersetzt schlicht „fremdes Musikinstrument“ bedeutet und einen Fingerzeig darauf gibt, daß das Saitenklopfinstrument erst im 18. Jahrhundert in China Fuß fassen konnte. Der Chinese hatte weichere Schlegel im Gebrauch, aus Bambusholz geschnitzt, die seiner Musik einen gedämpfteren Klang gaben.
Den modernen Aspekt gegenwärtiger Hackbrettkunst aufzuzeigen, blieb den Europäern vorbehalten, die aber nicht immer überzeugend wirkten. Die Verbindung von moderner Keyboard-Technik und vormodernem Hackinstrument mißglückte beim englischen Folkduo Chris Coe und John Adams total. Der dröhnede Keyboard-Sound tat den leiseren Saitentönen Gewalt an.
Klanglich ausgewogener agierte das Trio „Heureka“ aus der DDR, deren vermeintlich avantgardistisches Konzept sich aber eher wie schwelgerische Klangesoterik anhörte, was in ähnlicher Weise auch für das Quartett „Never been there“ aus München galt, das seine feinen Hackbrett- und Gitarrentöne elektronisch etwas zu sehr zu wolkigen New-Age-Sounds aufblies.
Am interessantesten gestaltete sich ein Syntheseversuch, den das französiche „Trio Santur“ wagte. Ihre Intention ist es - mit mittelalterlicher Fiedel, orientalischem Hackbrett und arabischen Trommeln - Orient und Okzident zusammenzubringen, ein Ansinnen, das gute Argumente für sich ins Felde füren kann: etwa die Epoche der Mauren auf der Iberischen Halbinsel, die wunderbare Verschmelzugen von europäischer und arabischer Musik zeitigte.
Auf dem ältesten noch spielbaren Hackbrett, erbaut von Hendrik Jakobs im Jahre 1692, war das Festival von Karl -Heinz Schickhaus eröffnet worden. Die verschlungenen Saitentöne, die Schickhaus seinem Barock-Pantaleon entlockte, gaben einen Hinweis auf die verschlungene Geschichte des Hackbretts, die in Europa im Mittelalter beginnt. Aus Arabien über die Balkanhalbinsel kommt es im 15. Jahrhundert nach Böhmen und in die Alpenländer. 200 Jahre später sind die „Hackbrettisten“, neben den Sackpfeifern und Dorffiedlern, die legitimen Vertreter einer bäuerlichen Volksmusik, die als niedrig, häßlich und regelwidrig galt. Eine Tradition plebejischer Gebrauchsmusik, an die nur die Gruppe „Appenzeller Spaceschöttl“ anknüpfte. Den Schweizern liegt jedes Buhlen um eine Anerkennung des Hackbretts als seriösem Musikinstrument fern. Sie spielen - trotz manchmal ausschweifender Improvisationen - eine gewitzte „Tanzlmusi“, die klarmachte, welche musikalischen Möglichkeiten in einem freien und frechen Rückgriff auf volksmusikalische Traditionen stecken. Die wild-schrägen Klänge der Appenzeller hörten sich manchmal beinahe wie eine Art alpenländische Bluegrass-Musik an, die ihr Selbstbewußtsein aus ihrer Herkunft schöpft: aus der Tanzboden- und Wirtshauskultur der Alpendörfer, wo man in früherer Zeit, so wird berichtet, den Klang des Hackbretts durch die Resonanz hohler Bierfässer zu verstärken suchte.
Christoph Wagner
Ein paar Platten:
Schola Cantorum Basiliensis (mit Karl-Heinz Schickhaus Hackbrett): „Italienische Instrumentalmusik der Frührenaissance“ (EMI/HarmoniaMundi);
Rudi Zapf/Ingrid Westermeier: „Hammer Dolce“ (Efa-Trikont);
Never been there: „Ambience“ (VeraBra-Records)
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