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■ Ein Bildungsroman von Dubski und Preiß / 5. Eine Dichter und eine Wohnung

5. Ein Dichter und eine Wohnung

So hohl fühle ich mich, so hohl, war ihr magischer Spruch, und sie sperrte den Mund auf und fächelte mit den Armen, aber die Grenzen der Mimesis waren erreicht. Im Aquarium, am Zoo, umrundete sie schon lange jenes wundersame Becken; kreisförmig angeordnet, ein Schlauch, an dessen Außenseite man entlanggehen konnte. Innen kreiste eine Gruppe von altmodischen Schwertfischen mit geöffnetem Rachen und geblähten Kiemen. Wenn man sich ans Glas preßte, sah man sie auf sich zuschwimmen und konnte durch sie hindurchsehen, den Rachen, die Kiemen.Diese Kunst stinkt, sagte ein gebildeter Künstler zu seiner Begleiterin und meinte mehr als den Fischgeruch, was auch die Begleiterin, die mit richtigem Lachen antwortete, zu verstehen schien, aber mehr verstand keiner von beiden, und das macht ja auch nichts. Ein melancholischer Junge mit langen Dichterwimpern klopfte Margot auf die Schultern! Willst du so wohnen? Ich gebe dir meine Wohnung, denn du suchst eine. Mich macht sie traurig, wie könnte ich da zu mir finden? Hatte der Dichter in ihrer Seele gelesen?

Sie gingen nun die Wohnung ansehen. Eine Tür, und man geht nach links, einem längeren gekrümmten Gang folgend, drei Schritte breit, und man kommt nach kurzer zeit zurück zur Tür. Ein Gang herum um irgend etwas. Der Dichter sprach von traurigen, schweren Dingen und Margot machte sich nach der zweiten Umrundung von ihm los, ging die andere Richtung, um zu überlegen. So begegnete er ihr nur alle Minute kurz und sah sie täppisch von zu nah an. Er brabbelte dann zwei Worte zu ihr. Sie nahm die Wohnung. Sie ist nicht teuer, und heizen müssen Sie auch nicht, es heizt von innen genug. Das waren die Worte des Vermieters. In ihr entgegnete etwas; Es heizt vielleicht von Innen, aber dem Dichter ist nicht warm geworden, doch sie wußte selber, daß der Dichter seine Flamme im Herzen suchte.

Hohl, endlich hohl, jubelte sie, und nun funktionierte ihre Magie. Wenn sie einmal traurig war, so rief sie sich selber hohl zu. Sie ging nach Hause in ihren Schlach und stellte dort aus zweiter Hand hintereinander auf: einen Kühlschrank, ein Meter Abstand, eine Matratze, ein Meter, einen Cassettenrecorder, ein Meter, einen Stuhl, ein Meter, ein Tisch. Sie ging zurück - Tisch, Stuhl, Cassettenrecorder - und legte sich schlafen. Lang schlief sie, und sie träumte von der inneren Wand, aus der Wärme strömte und von der auch Geräusche kamen, auf die sie ihrerseits klopfend zu antworten lernte. Ihre Wohnung aber nannte sie Copertina. Denn das war der Nachnahme des Dichters. Fortsetzung folgt.

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