Katzenjammer und verhaltener Stolz

■ Der SB Rosenheim, Djurgarden Stockholm, ZSKA Moskau und PS Turku erreichen die Finalrunde im Eishockey-Europacup

Rosenheim (taz) - Letztendlich wußte keiner in Rosenheim, weder die Verantwortlichen noch der Trainer, die Spieler oder die Zuseher, wie das Erreichen der Finalrunde im Europacup zu bewerten sei. Sollte Stolz vorherrschen ob der Zugehörigkeit zu den vermeintlich vier besten Mannschaften Europas oder Katzenjammer darüber, daß nur knappe 10.000 Zuschauer das dreitägige Halbfinale als sehenswert erachteten.

Dabei hatte der Manager des SB Rosenheim, Josef Wagner, alles versucht, die Veranstaltung so angenehm wie möglich zu gestalten. Unterstützt vom Sponsor des Vereins, einem Wurstfabrikanten, der die hausinternen „kulinarischen Köstlichkeiten“ zur Verfügung stellte, boten die Organisatoren ein ansehnliches Rahmenprogramm für ihre Gäste. Und sich ihrer bayrischen Wurzeln bekennend, spielten sie zur Eröffnungsfeier nicht die BRD-Hymne, sondern umjubelt - die bayrische.

An dem Drumherum kann es also nicht gelegen haben, daß die Produktakzeptanz, um die Sprache des allgegenwärtigen Sponsors zu benutzen, so gering ausfiel. Auch die teilnehmenden Mannschaften versprachen Eishockeygenüsse. Deshalb beherrschte in den drei Tagen die Suche nach den Gründen der mangelnden Zuschauerresonanz die Diskussion mehr als die erzielten Ergebnisse auf dem Eis.

Gottseidank erwies der Übervater des BRD-Eishockeys, Bundestrainer Xaver Unsinn, den Rosenheimern die Referenz eines Besuches zwischen zwei Bundesligaspieltagen und stand Rede und Antwort. Zuerst, meinte er, sei leider das Eishockey immer noch nicht mit dem Fußball zu vergleichen. Zum anderen läge es auch an dem Austragungsmodus, der dem des Fußball-Europapokals angeglichen werden müßte. Darüber hinaus interessiere Zuschauer und Spieler immer noch der Landestitel weit mehr als der Gewinn des Europacups.

Die Frage, ob sich die Zeit des bayrischen „Land -Eishockeys“ zu Ende neige und dieser Sport zu einem der großen Städte werde, verneinte Unsinn streng und verwies auf Düsseldorf, wo die Zuschauer selbst zu seiner Nationalelf nicht zahlreich kämen, weil sie ausschließlich auf die DEG fixiert seien. Ob er sich da nicht irrt, der seinen Sport über alles liebende Bundestrainer. Fast alle bayrischen Traditionsvereine, Rosenheim mit seinem geldigen Sponsor ausgenommen, spielen vor dörflicher Kulisse in unteren Ligen, während in der Landeshauptstadt München Eishockey wöchentlich vor ausverkauftem Haus dargeboten wird.

Dabei wird das Herz des Eishockeyfreundes immer noch warm, wenn er beim Bier von dem fachkundigen Besucher in Rosenheim erzählt bekommt, daß der Sohn in der Jugend spielt, die Tochter im selben Verein Eiskunst läuft, und der Ahne, Spieler des SB, heute morgen beim Metzger vollmundig ankündigte, die Seinen putzten alle weg, seien sie aus Schweden oder der CSSR. Wie langweilig hingegen das Großstadtpublikum, das immer noch nicht die Regeln kennt, zum Puck Ball sagt und das nicht verstandene Abseits vom Fußball noch dümmer auf das Eis überträgt.

Trotz dieser gewichtigen Fragen wurde auch Eishockey gespielt. Weil sich Rosenheim um die Endrunde des Europacups (2. bis 4. Februar 1990) bewerben möchte, mußte die Mannschaft zwei Siege erringen. Der erste gelang mit 5:4 gegen das Team von Tesla Pardubice, den Meister der CSSR. Die von Vladimir Martinec, dem früheren Spieler des ESV Kaufbeuren, trainierte Mannschaft leidet nach dessen Aussage augenblicklich unter einem kleinen Tief und hinkt in der heimischen Meisterschaft weit hinterher. Einige wichtige Spieler wechselten wegen des Mammons ins Ausland, sein großer Rückhalt, Torhüter Hasek zum Konkurrenten Dukla Jihlava, drei seiner Besten sind beim Militär, und mit einem Kindergarten kann auch er nicht gewinnen. Danach genügte den Rosenheimern beim 8:5 gegen die weitgehend unbekannten Norweger aus Sarpsborg mit dem schönen Namen Sparta eine magere Leistung, um sich vorzeitig für die Endrunde zu qualifizieren.

Auch Djurgarden Stockholm, das sich in der abgelaufenen Saison ganz sicher den Titel seines Landes holte und mit mehreren Nationalspielern besetzt ist, gewann seine beiden ersten Spiele und stand schon am zweiten Tag für die Finalrunde fest. Herauszuheben vor allem das größte Talent Skandinaviens, Mats Sudin, der schon als 18jähriger von den Einkäufern Nordamerikas gejagt wird. Da sich der SBR und Stochholm am letzen Tag gegenüberstanden, hofften alle auf ein unterhaltsam ausklingendes Europacup-Wochenende. Obwohl die Schweden auf einige ihrer Besten, Rosenheim auf Torhüter Friesen und auf Ron Fischer verzichteten, boten beide Teams eine ansehnliche, ohne großen körperlichen Kampf geführte Partie. Die Rosenheimer überzeugten spielerisch und glichen damit die läuferische Überlegenheit der Schweden aus, die nur mit Glück und viel kämpferischem Einsatz kurz vor Schluß das 4:4 erzielten.

Rosenheims Trainer Dr. Starsi zeigte sich hinterher zufrieden und auch der schwedische Coach war froh, die Finalrunde erreicht zu haben, obwohl der Cup auch in Stockholm nichts gelte. Man verabredete sich zur Endrunde wieder in Rosenheim, während die die Presse betreuenden Jugendspieler derweil vom spieltechnischen Glanz der zu erwartenden Puckzauberer aus Moskau träumten und unaufgefordert deren Mannschaftsaufstellung von sich gaben.

Werner Steigemann