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Abschied von ermordeten Jesuitenpadres

Beerdigung in San Salvador / Auch Präsident Cristiani und US-Botschafter Walker nahmen an der Trauerfeier teil / Obwohl offizielle Stellen den Rückzug der Guerilla melden, wird weitergekämpft / OAS-Delegation zur Vermittlung eingetroffen  ■  Aus San Salvador Ralf Leonhard

„Sie haben sich die Option für die Armen zu eigen gemacht und sie gelebt“, sagte Erzbischof Rivera y Damas am Sonntag in seiner Predigt vor den Särgen der sechs Jesuitenpadres, die Donnerstag vermutlich von rechtsextremen Militärs ermordet worden waren. Die Köchin und ihre Tochter, die bei den Massaker ebenfalls umgebracht wurden, waren auf Wunsch der Familie separat beerdigt worden.

Bei der Totenmesse für die Priester im Auditorium Maximum der Jesuitenuniversität (UCA) vermischte sich für die Anwesenden der Schmerz mit der Entschlossenheit, die Arbeit fortzusetzen. Die UCA gilt als wichtigste Denkfabrik der unabhängigen Linken El Salvadors. Die ermordeten Priester waren ihre herausragendsten Vertreter. „Wir machen weiter“, versicherte Pater Javier Ibisate, der Dekan der Wirtschaftsfakultät. Und der Jesuitenprovinzial für Zentralamerika, Jose Maria Tojeira, erntete tosenden Applaus, als er rief: „Sie haben weder die Gemeinschaft Jesu noch die UCA ermorden können.“ Er beteuerte, der Orden werde sich durch das Massaker in seinem sozialen Engagement nicht beirren lassen. „Wir werden weiter an der Seite der Armen bleiben“, erklärte er.

Hubschrauber über den

Köpfen der Trauernden

Während Tojeira die Kondolenzbotschaften des Papstes und anderer kirchlicher Würdenträger aus aller Welt verlas, kreiste ein Armeehubschrauber über den Köpfen der mehreren Hundert Trauergäste, die im Inneren des Hörsaales keinen Platz mehr gefunden hatten. Unter denen, die Rektor Ignacio Ellacuria und weiteren fünf Professoren der Jesuitenuniversität das letzte Geleit gaben, fanden sich neben dem diplomatischen Korps und den Spitzen der Christdemokratie auch Präsident Cristiani und US-Botschafter William Walker.

„Alles Heuchler“, knurrte ein Priester der Basiskirche beim Anblick der Regierungsvertreter. Nicht anwesend waren allerdings Vertreter der Armee und des ultrarechten Flügels der regierenden Arena, denen das Mordkomplott allgemein angelastet wird. Mit spontanem Applaus wurde Ruben Zamora vom Linksbündnis Convergencia Democratica bedacht, als er am Ende der Messe unerwartet erschien, um von seinen Lehrern Abschied zu nehmen. Zamora ist untergetaucht, seit er vor einem Monat einem Bombenattentat nur knapp entgehen konnte.

Der Armeesender Radio Cuscatlan, dessen Sendungen alle anderen Stationen während des Belagerungszustandes übernehmen müssen, erwähnte die Trauerfeier mit keinem Wort. Stattdessen brachte er Marschmusik und Meldungen, wonach die Großoffensive der Befreiungsfront Farabundo Marti (FMLN) praktisch niedergeschlagen sei.

FMLN ist schon

bei der Kabinettsbildung

Trotz der offiziellen Meldung, die Guerilla habe sich aus San Salvador in die Berge zurückgezogen, hörte man am Sonntag in der Hauptstadt bis um Mitternacht Bomben fallen. Am Nachmittag griffen FMLN-Truppen das Gebäude der Nationalpolizei an, das im Zentrum der Stadt liegt. Auch am Nordostrand von San Salvador wurde am Sonntag weitergekämpft. Im Vorort Ciudad Delgado gelang es den Aufständischen nach eigenen Angaben, einen Hubschrauber abzuschießen, der Bomben abgeworfen hatte.

Wenn sich die Guerilleros angesichts einer Armeeoffensive aus einem Viertel zurückziehen, tauchen sie in einem anderen wieder auf. In San Miguel, der Metropole im Ostteil des Landes, haben sie sich bis auf zehn Häuserblocks an die Brigadekaserne herangekämpft. Die über den Untergrundsender Radio Venceremos ausgegebene Devise lautet dort: „Vorwärts ohne Weg zurück.“ Der Optimismus der FMLN-Führung geht sogar so weit, daß sie vor ein paar Tagen schon begonnen hat, das Kabinett für eine künftige Revolutionsregierung zusammenzustellen.

Die Mission des Generalsekretärs der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Joao Clemente Baena Soares, der am Sonntag eingetroffen ist, erscheint in der gegenwärtigen Situation ziemlich aussichtslos. Eine Waffenruhe, wie sie nicht nur von der OAS, sondern auch von der Kirche vehement gefordert wird, würde bedeuten, daß die FMLN in den eroberten Gebieten verweilen kann.

Opposition befürchtet

Repressionswelle

„Eine politische Unmöglichkeit für Cristiani“, wie ein westlicher Diplomat meint, da der Präsident nicht gegen die Interessen der Armee handeln kann. Einige hohe Armeeoffiziere haben sich ohnehin bereits gegen jede Art von Waffenstillstand ausgesprochen. Nie zuvor, erklärten sie, habe es eine bessere Gelegenheit gegeben, die Aufständischen zur Strecke zu bringen. Sollte sich die FMLN aber zurückziehen, fürchten Sympathisanten der Volksorganisationen eine blutige Repressionswelle.

Am Samstag wurde bereits Guillermo Rojas, ein Führungsmitglied des Arbeiterdachverbandes UNTS, erschossen aufgefunden. Und Sonntag drang die Finanzpolizei in das Flüchtlingslager der Pfarre San Roque ein, um einen Pfarrer abzuholen, der der Befreiungstheologie nahesteht. Der Geistliche entging der Festnahme, weil er mit einer Lungenentzündung im Krankenhaus liegt. Mit Spannung wird nun die Entscheidung des Kongresses in Washington erwartet, der sich ab Montag mit einem Antrag befassen muß, die Militärhilfe an das salvadorianische Regime zu suspendieren.

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