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Das Emotionale überlagert das Gezeigte

■ Zur diesjährigen Duisburger Dokumentarfilmwoche

Bilder denken“ - so lautete das diesjährige Motto der 13. Duisburger Filmwoche. Zur Eröffnung ging Duisburgs Oberbürgermeister Krings auf das Motto ein. „Die Bilder denken nicht nur, sie gestalten sogar die Realität: Ich erinnere nur an die Bilder des 10. November in Berlin.“ Daß da nicht Bilder, sondern andere gestaltende Kräfte am Werk waren, wurde glücklicherweise von den Machern des Eröffnungsfilmes, von Klaus Helle und Rainer Komers, angemerkt.

Die beiden zeigten ihren 16mm-Film Erinnerung an Rheinhausen. Knapp zwei Jahre nach den Auseinandersetzungen um die Schließung des Krupp -Hüttenwerkes stand er im Zentrum des Festivals: Szenen, die in der Erinnerung noch präsent sind, wie die, in der die Kruppianer die Villa Hügel stürmen oder der Auftritt des Werkstribuns Laakmann, der vor der gesamten Belegschaft und der halben Stadt im Walzwerk seine Philippika hält. „Historische Szenen“ also - wie in Duisburg gerührt konstatiert wurde - ergänzt durch Hintergründiges über den Arbeitskampf. Schließlich schlägt ein Vertrauensmann im Interview selbstkritische Töne an und macht auch die ambivalente Rolle der Gewerkschaft, die schleichende Distanzierung der IG Metall und der NRW-SPD zum Thema.

Schon vor der Filmwoche wurde Erinnerung an Rheinhausen in Rheinhausens neuem Bürgerhaus uraufgeführt. In der Stadt gilt der Arbeitskampf mittlerweile als schmerzhafte Erfahrung. Theo Steegmanns, der Krupp-Betriebsrat, erinnerte daran während der Diskussion über den Film: „Beim Gucken überlagert das Emotionale das Gezeigte. Das Gefühl, daß sich dabei einstellt, ist meistens schmerzhaft.“

Der Film zeigt auch die Arbeit selber, mit takes, die jede Dokumentar-Kamera gern mitnimmt. Das flüssige Roheisen verläuft sich in den dunklen Hallen, dieweil der Arbeiter in Schutzkleidung sich vor den wie Sternschnuppen tanzenden Eisenspritzern in Sicherheit bringt.

Von Günther Hörmann stammt ein Film über einen weiteren „Wendepunkt der Auseinandersetzung zwischen Kapital und Arbeit in der Bundesrepublik“. Die Klöckner-Hütte im September wurde gedreht für die 'Unruhigen Zeiten‘, eine NDR-Serie über die Jahre 1968/69. Erzählt wird die Geschichte des Septemberstreiks 1969 mit Hilfe von Archivmaterial und Interviews der damals Aktiven. Die Gesprächspartner stehen vor den Originalschauplätzen, vor dem Direktoriumsbüro und vor den Produktionsanlagen und erzählen mit Emphase, wie sie die Geschichte von damals wahrgenommen haben. Hörmann begnügt sich aber nicht mit der Darstellung des Konflikts zwischen den illegal, weil außerhalb des Tarifvertrags Streikenden und dem Klöckner -Direktorium. Er zeigt auch die Spannungen, die das, wie er sagt, „betriebssyndikalistische Streikmodell innerhalb der zentralistischen Gewerkschaft verursachte“. Denn Otto Brenners IG Metall unterstützte den Streik nur in der Absicht, ihn möglichst schnell zu beenden. Wie im Rheinhausen-Film geht es also auch hier um die Frage, wer die Arbeiter verraten hat.

Eine Frage, die einfach zu beantworten ist angesichts der Wiederholung der immer gleichen Konstellation, zumal auch bei Dokumentarfilm-Machern gilt, daß die Guten und die Bösen in den plots immer die gleichen sind. So schlicht ist manchmal die Wirklichkeit.

Um Produktions-Wirklichkeit geht es auch in Hartmut Bitomskys WDR-Coproduktion Der VW-Komplex. Darin ist zu sehen, wie die Arbeiter durch Automatisierung systematisch aus der Produktion gedrängt werden, wie sie zu Anhängseln der eigenständig arbeitenden Roboter degradiert werden.

Reinhold Böhms Zu Besuch bei ... Börsianern schaut hinter die Kulissender Düsseldorfer Börsenhändler. Absicht des Filmemachers war es, das „geschlossene System Börse so transparent wie möglich zu machen“. Dabei bekam er sogar mehr zusammen als seinen Film: „In der Dresdner-Bank-Sache hab ich 'ne ganze Menge Geld verdient. Ich bin mit 10.000 eingestiegen und dann ganz oben ausgestiegen. 25 Prozent Gewinn!“ Das Geld für die in diesem Jahr zum erstenmal dotierten Filmpreise kommt übrigens auch von einer Bank. Die Westdeutsche Landesbank will die nächsten fünf Jahre als Sponsor tätig sein.

Thomas Meisner

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