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Keine Chancen für Menschen in Krisen

■ Arbeitskreis Wohnungsnot erklärt Verhandlungen mit Wohnungsbaugesellschaften über 240 Wohnungen für Menschen in Notlagen für gescheitert

Es wäre zu schön gewesen: die gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften vermitteln dem „Arbeitskreis Wohnungsnot“ kurzfristig 240 Wohnungen für Menschen in Notlagen: mißhandelte Frauen, Haftentlassene, Drogenabhängige, Aids-Kranke etc. Angesichts eisiger Temperaturen ein „joint venture“ zur rechten Zeit, doch gestern erklärte der Arbeitskreis Wohnungsnot die seit einem Jahr andauernden Verhandlungen für gescheitert. Die von den Wohnungsbaugesellschaften gestellten Bedingungen bei der Vergabe der Mietverträge seien nicht zu erfüllen.

Finanzielle Absicherung hatten diese gefordert - falls die Miete ausbleibt oder Reparaturen anfallen - sowie eine „Betreuung“ der neuen Mieter durch die entsprechende Organisation. Die im AK Wohnungsnot vertretenen Gruppen über 60 an der Zahl - hatten diese Forderungen immer wieder zurückgewiesen. Betreuung nur auf freiwilliger Basis, lautete ihre Position. „Bei Mietrückständen hätten wir uns klärend einschalten können, aber mehr nicht“, sagt Carla Wesselmann vom „Seelingtreff“, einer Wärmestube für Obdachlose.

Bei den gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften zeigte man sich gestern überrascht. Werner Meyer-Thorke von der GSW verwies auf entstehende Probleme, „wenn wir sozial schwierige Leute gehäuft mit Wohnungen versorgen“. Man bestehe sowohl auf finanzieller Absicherung als auch auf einer Betreuung, „damit andere Mieter nicht gestört werden“. Zudem gebe es mit einzelnen Organisationen aus dem AK Wohnungsnot bereits Verträge zu den gleichen Bedingungen. Nach seiner Auffassung sei das Scheitern von einigen Gruppen im AK provoziert worden.

Nicht nur für die Berliner Aids-Hilfe, ebenfalls im AK vertreten, ist die von den Wohnungsbaugesellschaften geforderte Betreuungsgarantie indiskutabel. Christian Thomes, dort zuständig für Wohnungskoordination, hält die Betroffenen für „genug entmündigt und gedemütigt“. Er wolle einen Aids-Kranken, der endlich eine Wohnung habe, nicht noch ständig fragen müssen, ob dieser seinen Verpflichtungen als Mieter nachkomme.

Angesichts der katastrophalen Situation auf dem Wohnungsmarkt doch auf die Bedingungen der Wohnungsbaugesellschaften einzugehen kam für den Arbeitskreis nicht in Frage. „Als Pilotprojekt hätte ein solcher Kompromiß Vorbildcharakter gehabt“, befürchtet Thomes. Für die dringend notwendige kurzfristige Unterbringung von Obdachlosen, so Carla Wesselmann vom Seelingtreff, müsse man von seiten des Senats ebensoviel pragmatisches Engagement aufbringen - wie für Übersiedler. „Unser Ziel ist es, hier langfristig etwas für sozial Benachteiligte auszuhandeln.“ Für die meisten MitarbeiterInnen von Beratungsstellen - ob für mißhandelte Frauen, Haftentlassene, Drogenabhängige oder Aids-Kranke ist die Arbeitsgrundlage aufgrund des Wohnungsmangels entzogen. Annette Plobner von der zentralen Beratungsstelle der freien Straffälligenhilfe sieht bei ehemaligen Gefangenen „den Rückfall vorprogrammiert, weil es unmöglich ist, für diese Leute Wohnungen zu finden“.

anb

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