piwik no script img

„Damit's in den Behörden lustiger wird“

■ Über hundert BremerInnen debattierten „Gleichstellungsgesetz“ / Mitarbeiter des Justizsenators entpuppte sich als größter „Hardliner“

Spätestens ab Frühjahr 1990 soll in Bremen ein umfangreiches „Gesetz“ mit 15 Paragraphen die „Benachteiligung von Frauen aufheben“. Dieses Gesetz soll nicht nur gelten für die zigtausend Bremerinnen, die in den öffentlichen Verwaltungen arbeiten, sondern auch für diejenigen, die in den Krankenhäusern und in den Deichverbänden, bei Radio Bremen oder bei der Sparkasse Bremerhaven beschäftigt sind. Die Bremische Gleichstellungsstelle hatte den Gesetzentwurf im Herbst vorgelegt und war damit bundesweit an die Spitze der SPD-regierten Länder geprescht. Das Gesetz soll in Bremen eine „Richtlinie“ ablösen, die 1984 in Kraft trat, um im öffentlichen Dienst Frauen zu mehr und zu höheren Positionen zu verhelfen, aber nur wenig Wirkung gezeitigt hatte.

Gestern hatte die Bremer Gleichstellungsstelle zur ersten öffentlichen Diskussion ihres Gesetzentwurfes geladen. Gekommen waren über hundert Frauen, die in Gewerkschaften und Parteien aktiv sind, und denen viel

fach dieser Gesetzentwurf nicht weit genug geht. Gekommen waren auch Männer, von denen einige keinen Hehl daraus mach

ten, daß ihnen das Gesetz viel zu weit geht, sprich: „juristisch bedenklich“ erscheint.

Hervor tat sich unter ihnen Dr.

Hans Wrobel, ein Vertreter der Behörde Senator für Justiz und Verfassung. Er empfahl, den Gesetzentwurf zu „überarbeiten“,

er sei „verfassungssrechtlich nicht auf der sicheren Seite“. Wrobel war der Ansicht, das Problem der geringen Repräsentanz von Frauen etwa in gehobenen juristischen Positionen werde sich von selbst lösen, da immer mehr Frauen Jura studierten. Wrobel prägte einen Satz, der vielen ZuhörerInnen im Ohr rumorte: „Die Frauen sollen ruhig massenhaft in den öffentlichen Dienst strömen. Besser wird's dadurch nicht, aber vielleicht lustiger.“

Der Vertreter der „Senatskommission für das Personalwesen“ (SKP), Henning Lühr, hingegen stellte klar, daß sein Arbeitgeber „diesen Gesetzentwurf trägt und bereit ist, die verfassungsrechtlichen Bedenken hinzunehmen.“ Der Justizsenator Volker Kröning nahm eine Zwischenposition ein. Er plädierte dafür, den Entwurf „zu verbessern“. Der Begriff der „gleichwertigen“ Qualifikation müsse ersetzt werden durch den unstrittigen Ausdruck „gleiche Qualifikation“.

Für die Juristin Bettina Sokol und den Verwaltungsrechtler Prof. Hans Peter Schneider dage

gen befindet sich der Gesetzentwurf mit der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts in Einklang. Bettina Sokol wies zudem daraufhin, daß JuristInnen (wie die Berliner SPD -Senatorin Heide Pfarr) sich noch weit über den Bremer Entwurf hinaus gewagt haben. Etliche Zuhörerinnen, darunter auch viele Sozialdemokratinnen, monierten, daß der Bremer Gesetzentwurf ein „Scheunentor“ offenlasse, indem er das Bevorzugen der männlichen Bewerber unter bestimmten Bedingungen zulasse. Auch vermißten sie „Sanktionsmöglichkeiten“.

Kontrovers diskutierten die Frauen dagegen, ob die Frauenbeauftragten künftig „autonome, kleine Machtzentren“ in den Behörden gründen oder dem Personalrat angehören sollen.

Am 7. Dezember soll in der Angestelltenkammer weiterdiskutiert werden. Vom weiblichen Engagement in diesen Debatten wird abhängen, wer außer dem Justizsenator an den Paragraphen noch feilen und „verbessern“ darf.

Barbara Debus

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen