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Hört beim Geld die Feindschaft auf?

■ Momper reist mit dem halben Senat auf Betteltour nach Bonn / Berlin fehlen 500 Millionen - mindestens / Gestern begannen die Vorbereitungen zum „Gipfeltreffen“

Zuallererst geht es ums Geld - und zwar in Höhe vom mindestens einer halben Milliarde Mark: Mit diesem vorweihnachtlichen Wunschzettel im Aktenköfferchen will der Regierende Bürgermeister Momper (SPD) am Freitag in die Bundeshauptstadt jetten - begleitet von einem halben Dutzend handverlesener SenatorInnen. Bereits gestern tüftelte die Momper-Crew im Rathaus Schöneberg bis in die Abendstunden an ihren Reisevorbereitungen herum. Die hochrangige Berliner Reisegesellschaft wird bei ihrem „Gipfel“ am Rhein nämlich nicht nur mit Bundeskanzler Kohl, sondern auch mit mehreren seiner Kabinettsmitgliedern zusammentreffen - und hart feilschen und versöhnlich argumentieren müssen. Gilt es doch nicht nur, den Kanzler von Berlins besonderer finanzieller Belastung seit der Öffnung der Mauer zu überzeugen - sondern auch alte Streits und Kränkungen zwischen Bonn und dem rot -grünen Berlin vergessen zu machen.

Bei der gestrigen ganztägigen Klausurtagung des Senats ging es um die politischen und finanziellen Auswirkungen für die Stadt als Folge der Entwicklung in der DDR und der Öffnung der Grenzen. Dabei standen sowohl die Konsequenzen für die Kommunalpolitik in Berlin wie auch Vorschläge für eine deutsch-deutsche Zusammenarbeit auf der Tagesordnung. Nach den Auseinandersetzungen in den vergangenen Wochen soll mit Vertretern der Bundesregierung und des Senats das weitere Vorgehen abgestimmt werden. Für Berlin stehen dabei zunächst die zusätzlichen finanziellen Belastungen durch die millionenfachen Besuche von DDR-BürgerInnen im Vordergrund. Die dafür benötigten Mittel werden allein für das kommende Jahr auf mehr als 500 Millionen Mark beziffert. Der Senat erwartet eine Erhöhung der Berlin-Hilfe durch Bonn, um neben den Kosten für die Aus- und ÜbersiedlerInnen auch die durch den Besucherstrom aus Ost-Berlin und der DDR entstandenen Verkehrsprobleme lösen zu können.

Wie Senatssprecher Kolhoff mitteilte werden Wirtschaftssenator Mitzscherling, Finanzsenator Meisner, Sozialsenatorin Stahmer, Verkehrssenator Wagner, Bundessenatorin Pfarr - und als einzige AL-Vertreterin Umweltsenatorin Schreyer Momper begleiten.

Fast ein Canossa-Gang: Denn ohne die Extramillionen von der CDU/FDP-Bundesregierung blieben in Berlin nach der Öffnung der Mauer weite Teile des rot-grünen Regierungsprogramms auf der Strecke - zu groß sind die unerwarteten Mehrkosten, die die neue Situation der Stadt bringt. Groß sind allerdings auch die psychologischen Stolpersteine. Noch ist der Kanzler beleidigt, daß er am Tag nach der Maueröffnung nach einer bejubelten Momper-Rede im rot-grünen Berlin ausgepfiffen wurde. Und gänzlich unvergessen sind auch weder die protokollarischen Streitigkeiten zwischen Berlin und Bonn nach Mompers Wahl, noch die von der CDU angedachte finanzielle Blockade der Berliner Forschung.

taz/dpa

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