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Berufsrevolutionäre arbeitslos: DKP ist pleite

■ SED dreht Geldhahn zu / Hauptamtliche DFU-Friedenskämpfer mit sofortiger Wirkung entlassen

Es lohnt sich nicht mehr, Berufsrevolutionär zu sein. In Budapest sind die Kommunisten am Ende, in Prag ist das ZK in Auflösung begriffen, in Warschau hat die KP die Macht verloren, und der DKP in Bremen geht es auch schon ganz schlecht. Nach dem politischen Bankrott steht die DKP jetzt auch vor der finanziellen Pleite.

Am vergangenen Montag wurden die Bremer DKP -Bezirksvorsitzenden Dieter Gautier und Jürgen Pohlmann ebenso wie die Bezirkssekretäre der übrigen 11 DKP -Landesorganisationen im

Bundesgebiet von der Nachricht überrascht: Die meisten werden die längste Zeit Parteifunktionäre gewesen sein. Bei einer eilig einberufenen Sondersitzung hatte der Düsseldorfer Parteivorstand den verdutzten Funktionären verkündet: Das Geld ist alle. Alle Parteisekretäre wurden angewiesen, vorsorglich die Mietverträge ihrer Parteibüros aufzulösen und die übrigen hauptamtlichen Parteiarbeiter schonend auf ihre Entlassung vorzubereiten. Offizielle Begründung der Düsseldorfer DKP-Gewaltigen: Rückläufige

Mitgliedszahlen, sinkende Beitragsmoral und das reduzierte„Spendenaufkommen aus der internationalen kommunistischen Bewegung“. Klartext: Die SED hat Westdeutschlands Kommunisten den Geldhahn zugedreht. Harte Devisen werden in der DDR inzwischen anderweitig gebraucht. Die DKP, so die Devise der großen Bruder-Partei, muß künftig mit eigenen Mitteln sehen, wie sie klar kommt.

Bremens DKP-Vorsitzender Dieter Gautier wollte die bevorstehende Pleite gestern ebenso

wenig kommentieren wie die übrigen Hauptamtler im Bremer Parteivorstand. Klar allerdings ist: Bis Mitte nächsten Jahres wird sich die Mehrheit der 12 hauptamtlichen Bremer Parteiarbeiter nach einem anderen Job umsehen müssen. Aus eigenen Mitteln, so lauten vorsichtige Schätzungen, lassen sich allenfalls zwei oder drei hauptamtliche Kommunisten weiterbezahlen.

Härter noch trifft die Entwicklung in der DDR die mit der DKP „herzlich befreundete“ (Pressereferent Ekkehard Lentz) Deutsche Friedensunion. Lentz und der Bremer DFU -Geschäftsführer Dietmar Tinnei sind ab sofort arbeitslos. Schon in der letzten Woche eröffnete das Kölner DFU -Präsidium seinen beiden Bremer Mitgliedern ihre sofortige Entlassung. Während Lentz sich das akute Finanzloch der organsierten Friedensbewegung noch mit dem Rückgang beim Aufkleber-Verkauf und im Abrüstungs-Broschüren-Handel zu erklären versucht, sind in der Kölner-Zentrale inzwischen plausiblere Lösungen des Finanzrätsel zu bekommen. DFU -Präsidiumsmitglied Willi van Ooyen zur taz: „Durch die Entwicklung in der DDR ist eine entscheidene Finanzquelle überraschend versiegt.“

Und so ungefähr funktionierten bislang die Zuwendungen des

real existierenden Sozialismus an den noch nicht existierenden: Bundesdeutsche Handelsunternehemen im Ost -West-Geschäft investierten - notgedrungen oder gerne einen Teil ihrer Gewinne in den hiesigen Kampf für den Sozialismus. Wer in der BRD an Krim-Sekt oder Gorbatschow -Wodka verdienen wollte, hatte vertragsgemäß einen Teil der Rendite an DFU oder DKP auszuschütten.

Van Ooyen plaudert damit aus, was in DFU- und DKP-Kreisen bislang allenfalls als Verleumdung hartnäckiger Anti -Kommunisten galt. „Es wäre wirklich ein Schock für mich, wenn ich jetzt erfahren müßte, daß wir Jahrenlang von irgendwelchen obskuren Briefkastenfirmen gelebt haben“, beteuerte ein langjähriges DKP-Mitglied gegenüber der taz ihren bislang festen Glauben an die eigene Etathoheit.

Bremer DFU- und DKP-Mitglieder wollen jetzt jedenfalls vollständige Offenlegung der bislang bestgehüteten Geheimnisse ihrer Organisationen verlangen: Woher kam das Geld und wo ist es geblieben. Einige vermuten bereits in der Finanzkrise einen letzten Schachzug der Betonköpfe im DKP -Vorstand: Für sie ist die Finanzkrise nur ein willkommener Vorwand, um aufmüpfige Parteiarbeiter endlich loszuwerden.

K.S.

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