: Langsam nähern sich einige RGW-Länder dem IWF
Ungarn, Polen, die CSSR und Rumänien sind oder waren schon drinnen / Wichtigster Grund: Wer Kredite will, kommt um einen Hartwährungstopf nicht herum ■ Von Ulli Kulke
Lange ist es noch nicht her, daß der Internationale Währungsfonds (IWF) im Bereich des Bösen angesiedelt wurde: als „Instrument imperialistischer aggressiver Kapitalexpansion und des Neokolonialismus“ bezeichnete ihn das 'Kleine politische Wörterbuch‘ des Dietz-Verlages, Ost -Berlin. Eigentlich logisch: Wie sollten auch Planwirtschaft, staatliche Betriebe und subventionierte Preise mit der IWF-Wirtschaftsstrategie zusammengehen: Privatisierung, Liberalisierung und marktwirtschaftliche Preisfindung? Inzwischen jedoch werden auch in der DDR Stimmen laut, die zu einer Annäherung an den IWF und seine Partnerorganisation, die Weltbank, raten. Renommierte Wirtschaftswissenschaftler des Ostberliner Institutes für internationale Politik und Wirtschaft fordern, einen Beitritt ernsthaft zu prüfen. Und IWF-Kritiker Elmar Altvater meint gar in dieser Zeitung, daß eine Mitgliedschaft der DDR durchaus Sinn machen würde (taz vom 23.11.).
Rumänien ist bereits seit 1972 Mitglied - wohl auch, um seine Unabhängigkeit gegenüber der UdSSR zu dokumentieren. Ungarn wurde 1982 aufgenommen. Polen, das zeitgleich den Antrag gestellt hatte, mußte wegen des Kriegsrechts noch bis 1986 warten. Auch aus der CSSR, die 1954 rausgeflogen war, kommen zarte Annäherungsversuche. Und vor der IWF -Jahrestagung im letzten September kündete Moskau ebenfalls einen Aufnahmeantrag an.
Mit der UdSSR dürfte man sich am schwersten tun. Die Frage, ob sie aufgrund ihrer gigantischen Wirtschaftskraft in der Spitzengruppe der Stimmberechtigten oder aber aufgrund ihrer mangelnden internationalen Währungspotenz unter den Entwicklungsländern einsortiert gehört, ist der Hemmschuh.
Unabhängig davon, inwieweit der Sozialismus weiter hochgehalten, die Planwirtschaft zur Disposition gestellt oder die volkseigenen Betriebe privatisiert werden, sind sich die Strategen in Polen, Ungarn und der DDR darüber einig, daß mittelfristig ein gehöriger Kreditbedarf besteht. Ein IWF-Beitritt könnte dabei unter Umständen dienlich sein
-die bisherigen Erfahrungen der Ostblock-IWFler sind jedenfalls sehr unterschiedlich. Lohnenswert wäre das nicht nur wegen der Aussicht auf Kredite des IWF selbst, sondern auch seitens Dritter.
Eines indes ist klar: Wollen die Ostblockwirtschaften, in denen bislang nur reine Binnenwährungen zirkulierten, ihr Geld „konvertibel“, also frei wechselbar gestalten, so geht am IWF oder einem anderen internationalen Geldtopf mit harter Währung kein Weg vorbei. Der Währungskurs muß auch von außen her abgesichert sein, was ja traditonell die eigentliche Aufgabe des Fonds war.
Bessere Kreditaussichten, Konvertibilität und überhaupt mit einem IWF-Beitritt kämen die übrigen Ostblockstaaten den Vorstellungen der EG von Ost-West-Kooperation in jeder Hinsicht entgegen. Polen ist Beispiel dafür, daß die Frage der IWF-Mitgliedschaft auch die Beziehungen zu Dritten berührt.
Als das Land 1981 in erste Umschuldungsverhandlungen mit westlichen Banken eintrat, wurde von ihnen der Beitritt Polens mehr oder weniger als Voraussetzung für erfolgreiche Verhandlungen gefordert. Warschau und die Gläubiger setzten auf rasche Finanzhilfen des Fonds, aber auch darauf, daß mit Hilfe des Fachwissens und des Renommees der internationalen Institution die Wirtschaftsreformen im Lande leichter durchzusetzen sind. Daß bis heute die Fonds-Hilfe und ein Abkommen über die „Anpassung“ der Wirtschaftspolitik ausblieb, spricht nicht dagegen, daß die Banken größeres Vertrauen zu einem IWF-Mitglied haben als zu einem „Outlaw“ der internationalen Währungszusammenarbeit.
Mit einer Mitgliedschaft kommen freilich nicht direkt die Auflagen des IWF für eine andere Wirtschaftspolitik zum Tragen, selbst bei den ersten Kreditaufnahmen („Ziehungen“) noch nicht. Erst wenn im Verhältnis zur eigenen Quote das Kreditbedürfnis zu groß ist, wird diesem Bedürfnis nur unter der Bedingung eines Rahmenprogrammes stattgegeben. Ironischerweise dürfte dies bei den osteuropäischen Ländern der Zeitpunkt sein, da die westlichen Geschäftsbanken freigiebiger werden, weil nun die gewünschten berühmt -berüchtigten Anpassungsmaßnahmen laufen.
Der Fonds kam in mehreren Untersuchungen darüber, ob Planwirtschaft und IWF-Auflagen überhaupt zusammenpassen können, zu positivem Ergebnis. Die Begründung: Zentralverwaltungswirtschaften wiesen ähnliche Merkmale auf wie viele Entwicklungsländer.
Entsprechend waren auch die bisherigen Kreditauflagen für Ostblockländer. Rumänien mußte 1981 Preis-, Zins- und Wechselkursauflagen schlucken. Schon 1983 jedoch wurde der Vertrag gebrochen und alles wieder rückgängig gemacht. Das gewaltige Handelsbilanzdefizit sanierte das Ceausescu-Regime ganz simpel planwirtschaftlich - unter Inkaufnahme einer horrenden Verelendung der eigenen Bevölkerung durch einen Stopp der Importe und gewaltige Exportüberschüsse auch bei Lebensmitteln, mit der die Auslandskredite eiligst zurückgezahlt wurden.
Doch nicht nur das widerborstige Rumänien hatte Schwierigkeiten, auch das weitaus reformwilligere Ungarn mußte im Mai dieses Jahres einen Kreditstopp des IWF hinnehmen - wegen mangelnder Auflagenerfüllung.
Ulli Kulke
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