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Nagel will die Mietenexplosion notbremsen

■ Der Bausenator präsentierte einen Gesetzesentwurf zur Begrenzung des Mietenanstiegs / Hoffnung auf Inkrafttreten schon im August nächsten Jahres / Bonn muß mitmachen / Mieterhöhungen bei laufenden Verträgen und Neuabschlüsse sollen erschwert werden

Wenn die Momper-Crew am Freitag auf Betteltour nach Bonn düst, wird sie auch einen umfangreichen Wunschzettel mit allen denkbaren Regelungen für eine Dämpfung der davon galoppierenden Mieten in der Halbstadt im Gepäck haben. Um noch vor der Kohl-Audienz den nötigen Druck zu machen, präsentierte Bausenator Nagel (SPD) bereits gestern den zehn Punkte umfassenden Entwurf für das gewünschte „Gesetz zur Begrenzung des Mietanstiegs im Land Berlin (West)“.

Danach soll der Mietanstieg künftig nicht nur bei Altbauwohnungen begrenzt werden, sondern prinzipiell auch im frei finanzierten Neubau - insbesondere aber bei ehemaligen Sozialwohnungen. Immerhin werden in den nächsten Jahren rund 90.000 Sozialbauwohnungen in der Stadt aus jeglicher Mietpreisbindung herausfallen, umriß Nagel das Problem. Trotz des beschlossenen forcierten Neubaus dieser Wohnungen sei also bis Ende der Legislaturperiode ein wesentlich größerer Abgang vorhersehbar.

Weiter sieht der Entwurf vor, daß bei bestehenden Mietverhältnissen die Mieten nur noch im Rahmen des Mietspiegels erhöht werden dürfen - und zwar um nicht mehr als fünf Prozent im Jahr. Wenn der im Mietspiegel angegeben Mittelwert überschritten wird, ist dies besonders zu begründen. Bisher konnten Vermieter ohne zusätzliche Begründung für Zu- oder Abschläge eine sogenannte Orientierungsmarge ausschöpfen.

Gerade bei neuvereinbarten Mietverträgen sollen ferner nur noch bescheidene Zinserhöhungen gestattet sein: Bis zu maximal fünf Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete. Jetzt sind offiziell noch zehn Prozent erlaubt. Aber: wer sich vor Mietvertragsabschluß beim Vermieter nach der bisherigen Miete erkundigt, „kommt gar nicht in die engere Wahl“, räumte auch Nagel ein und sprach von einem „neuralgischen Punkt“.

Mieterhöhungen kommen der Gesetzesvorlage zufolge überhaupt nur dann noch in die Tüte, wenn sie durch den Mietspiegel begründet sind. Was ortsüblich ist, ergibt sich aus allen Mieten - auch den Bestandsmieten. Für ortsübliche Vergleichsmieten kann der Senat - per Rechtsverordnung verbindliche Höchstbeträge festlegen. Grundsätzlich untersagt ist die profitable Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen; die Duldungspflicht des Vermieters bei Modernisierungsmaßnahmen wird eingeschränkt. Gelänge die Einigung zwischen den Berliner Parteien, könnte der Entwurf schon zum 1. August nächsten Jahres im Bundestag eingebracht werden, äußerte sich der Bausenator gestern optimistisch. Geplante Laufzeit: bis Ende 1999!

Angesichts der seit der Öffnung der Mauer eher noch gewaltigeren Mietexplosion habe der Senat beschlossen, die Gesetzesinitiative zeitlich vorzuziehen. In diesem Zusammenhang steht laut Nagel ein zweiter, einschneidender Schritt: Er läßt nach seinen Worten gegenwärtig prüfen, ob es rechtlich möglich ist, die Erteilung von Dringlichkeitsscheinen an DDR-Übersiedler einzuschränken. Alle freiwerdenden Wohnungen an Übersiedler zu vergeben, sei nämlich „innenpolitisch nicht durchzuhalten“.

thok

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