Kasuistisches Wortspiel-betr.: "DDR: Keine Krise, aber 'Schlamassel'", taz vom 23.11.89

betr.: „DDR: Keine Krise, aber 'Schlamassel'“, taz vom 23.11.89

(...) Die BürgerInnen der DDR haben das belehrende Geschwätz aus der BRD sicherlich schon lange satt. Was sie aber noch weniger gebrauchen können, sind altväterliche Ratschläge - dies zeigt dieser Aufsatz, der in seinen konkreten Passagen besonders peinlich geraten ist. Um nur einiges herauszugreifen:

Natürlich läßt sich ein Geldüberhang nicht durch eine Staatsanleihe, die gleichzeitig Infrastrukturinvestitionen finanzieren will, abschöpfen. Genausowenig scheint Elmar Altvater das „Geheimnis“ einer relativ stabilen Währung verstanden zu haben. So unstreitig es ist, daß die Schweiz einen guten Teil ihres Wohlstandes dubiosen Geschäften verdankt, so wenig hat dies mit der Stabilität des Franken zu tun. Ausschlaggebend ist allein eine stabile Relation zwischen dem Wachstum des Sozialproduktes und der Geldmenge.

Eine Währung läßt sich auch durch Stützungskäufe ausländischer Zentralbanken nur bedingt stabil halten, wenn nicht zugleich - und dies zeigt ja das von Altvater bemühte Beispiel des EWS - national eine entsprechende Geldpolitik betrieben wird. Eine Abschöpfung des Geldüberhangs in der DDR ist in der Tat nur durch einen Währungsschnitt oder durch einen entsprechenden Preisanstieg möglich.

Diese Realitäten sind bitter und erfordern sicherlich ein großes Fingerspitzengefühl bei der Umsetzung von Reformen. Was aber niemandem hilft, ist ein kasuistisches Wortspiel um nachzuweisen, daß die DDR-Ökonomie in Wirklichkeit in keiner Krise stecke. Damit betreibt Elmar Altvater - objektiv - das Spiel derjenigen, die durch Euphemismen in den letzten Jahrzehnten zu der nun manifesten Krise beigetragen haben. (...)

Klaus-Rainer Brintzinger, Freiburg