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Das Ende der Nehru-Dynastie

■ Keine stabile Regierung in Indien zu erwarten

Indiens Premier Rajiv Gandhi ist zurückgetreten, weil ihm das zweitschlechteste Wahlergebnis seiner „Congress-I“ Partei seit den ersten Parlamentswahlen von 1951/52 keine andere Wahl mehr ließ. Mit dieser Niederlage endet die große Zeit dieser einzigen überregionalen Partei Indiens, die das Riesenland 40 der 42 Jahre seit der Unabhängigkeit regiert und auch zusammengehalten hat. Unter die Nehru-Gandhi -Dynastie ist damit ein Schlußstrich gesetzt - zumindest vorläufig.

Die Wahlschlappe der Partei ist vor allem als ein Urteil gegen den jungen, unerfahrenen Premier zu werten, der als „Mr. Clean“ die korrupte indische Politik zu säubern versprach und dann doch selbst im Sumpf des sogenannten Bofors-Bestechungsskandals unterzugehen drohte. Es ist ein Urteil gegen seinen Führungsstil, gegen die Selbstherrlichkeit, die Gandhis politische Entscheidungen immer stärker bestimmte. Und es ist ein Urteil gegen platte Sprüche, mit denen er noch bis zuletzt versuchte, eine drohende Niederlage abzuwenden. Während nach der Ermordung seiner Mutter 1984 und den sich daran anschließenden Wahlen noch der Slogan Wirkung zeigte, nur der „Congress“ könne den Zerfall der Union aufhalten, wirkte das gleiche Argument im jetzigen Wahlkampf nur noch wie eine stumpfe Waffe. Gerade der „shooting-star“ Gandhi, der Indien ins 21.Jahrhundert katapultieren wollte, ist wegen politischer Naivität und politischem Opportunismus für zunehmende innenpolitische Konflikte verantwortlich. Ethnisch und religiös bedingte Spannungen und Gewalttätigkeiten sowie Sezessionsgelüste in vielen Teilen des Landes haben sich gerade unter seiner Ära wie ein Krebsgeschwür in der indischen Gesellschaft festgesetzt. Seine Wirtschaftspolitik hat vor allem den oberen zehn Prozent genutzt. Zunehmendes Engagement multinationaler Konzerne, steigende Auslandsabhängigkeit, rapide wachsende Auslandsverschuldung und Inflation sind weitere Resultate seiner Politik.

Erstmals in der Geschichte Indiens wird nun eine Koalitionsregierung notwendig. Derzeit versuchen die „Nationale Front“ (NF), ein Zusammenschluß mehrerer, meist regionaler Parteien und die hindu-nationalistische Bharata Janata Partei (BJP) - eigentliche Gewinnerin der Wahl - eine Minderheitenregierung zu bilden. Sollten diese Verhandlungen positiv verlaufen, dürfte der neue Premier Indiens der Nationalen Front angehören. Stabile Verhältnisse sind damit in Indien nicht zu erwarten.

Walter Keller

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