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■ Interview mit Bogumila Szredera aus Gdansk
In Warschau sind nach den Wahlen in Polen die politischen Kräfte einigermaßen im Parlament repräsentiert, in Bremens Partnerstadt Gdansk regiert immer noch der alte Rat der Stadt. Erst im kommenden Juni soll es Kommunalwahlen geben, bei dem die alte kommunistische Partei, die PVAP, ihre Vormachtstellung verlieren wird. Während in Bremen wohl zum letzten Mal diese alten Politiker der PVAP Gdansk repräsentieren, war ein Gdansker Abgeordneteter des Sejm und Vertreter der Bauernpartei, Bogumila Szredera (deutsch: Schröder), zu Besuch bei dem Partnerverband Deutsches Rotes Kreuz. Seine Plakate, meint der DRK-Präsident Pietsch stolz, kleben heute noch in Gdansk, wärend die der anderen Kandidaten längst abgeblättert sind. Der Kleber kam aus dem Westen.
taz: Was wird sich ändern, wenn die alte Mehrheit in Gdansk abgelöst wird?
Bogumila Szredera: Wirtschaftlich wird das sehr wichtig sein. Unrentable Betriebe werden nicht mehr unterstützt werden.
Das gibt es noch?
Szredera: Ja, das ist immer noch aktuell. Es wird mehr private Initiative geben, es gibt Pläne für ein Streikrecht. Bisher gibt es keine gewerkschaftlichen Streikkassen, bei Streiks mußten die Fabriken die Kosten übernehmen.
Was muß in Polen passieren, damit die Landwirtschaft wieder so reich und produktiv wird, wie sie es vor dem Kriege war?
Szredera: Sehr einfach: Der Bauer muß motiviert werden. Er muß wissen, daß es sich lohnt, zu arbeiten und zu produzieren.
Wird die Gesellschaft, die jetzt in Polen entstehen soll, als sozialistisch verstanden?
Szredera: Ja. Die Polen wollen Demokratie. Und sie wissen, daß man das lernen muß. Meiner Meinung nach ist die polnische Gesellschaft noch nicht hinreichend darauf vorbereitet.
Ich hatte nach Sozialismus gefragt...
Szredera: Ja, es bleibt dabei.
Aber alles, was sie zur Ökonomie sagen, ist Markt und kapitalistische Eigenverantwortlichkeit...
Szredera: Sozialismus kann auch so existieren, es muß nicht alles Gemeineigentum sein. In Polen waren die Bauern auch immer private Eigentümer.
Und was ist dann Sozialismus, wenn das mit Ökonomie nichts zu tun hat?
Szredera: Sozialistische Ökonomie gibt es nicht, es gibt nur Ökonomie. Es war immer so, daß man gesagt hat, daß alle gleich viel bekommen, unabhängig davon, was jeder geleistet hat. In einer Öknomie ist es immer so, daß man für die Arbeit bezahlt wird.
Was denken Sie über die Entwicklungen in der DDR?
Szredera: Polen ist ein Beispiel für alle sozialistischen Länder. Die DDR holt das nach, was in Polen in den letzten 8 Jahren passiert ist. Man hatte die polnische Entwicklung kritisiert, wie alle sozialistischen Länder. Die Polen waren dennoch konsequent und haben die Veränderungen eingeleitet.
Haben Sie Angst vor den Entwicklungen in Deutschland?
Szredera: Nein.
Walesa hat jetzt derartige Erklärungen gemacht, daß er das beunruhigend findet...
Szredera: Wenn die grundlegenden Vereinbarungen und die Grenzen in Europa so bleiben, wie sie waren, braucht man keine Angst zu haben.
An der Grenze zwischen Polen und der DDR beginnen schon soziale Konflikte, und wenn die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der BRD und der DDR enger werden, könnte das für Polen ein Problem werden.
Szredera: Ja, aber ich habe die Hoffnung, daß diese Probleme gelöst werden können.
Was erwarten Sie von der Partnerschaft mit Bremen?
Szredera: Daß die Zusammenarbeit gut vorankommt. Wir haben Familienkontakte und auch kulturelle Kontakte geplant.
Die bremische Landesregierung und die SPD hat zu Gdansk Kontakte gehalten, das hieß zur PVAP. Kennen Sie auch diese bremischen Landespolitiker, sind die auch zu oppositionellen Gruppen gekommen?
Szredera: Die Tatsache, daß man Kontakte nur mit der Kommunistischen Partei aufgenommen hat, liegt daran, daß die regiert hat. Das wird sich bestimmt ändern.
Wieso hat die Bremer SPD nicht gesehen, daß die PVAP nicht das Volk repräsentiert und auch mit anderen Parteien Kontakt gehalten?
Szredera: Das ist schon Sache der SPD, wie sie das geregelt hat. Ich denke, man muß Kontakte mit allen Gruppierungen pflegen. Aber in einem halben Jahr wird die SPD bestimmt mit anderen Parteien auch reden.
taz: Wann sind die Wahlen?
Szredera: Im Juni.
Wer hat Ihnen den Kleister geschenkt, mit dem Sie Ihre Wahlplakate so gut kleben konnten?
Szredera: Ich habe verschiedene Geschenke bekommen, das war eine Mischung.
Und vom wem?
Szredera: (lächelt den DRK-Chef Pietsch an) Das ist ein Geheimnis.
Interview: Klaus Wolschner
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