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Nur Senatorin Bimbam fehlte

■ Knastkonzerte mit den „Toten Hosen“ am Freitag und Samstag in der Plötze und Tegel

Etwas schüchtern und abwartend saßen 70 Frauen der etwa 120 Insassinnen des Frauenknastes Plötzensee auf den Holzstühlen am Freitag abend. Doch die Stimmung im Kultursaal der Plötze taute schnell auf. „Justizsenatorin Bimbam“ betrat die Bühne in einem Sketch-Interview der Gruppe, die die Knastkonzerte organisiert hatte. „Senatorin Bimbam“ erklärte unter Gelächter und Klatschen der Gefangenen, daß sie die Haftbedingungen verbessern wolle und sich der Sache annehmen werde (in Anspielung auf ein taz-Interview mit Senatorin Limbach). Auf die Entgegnung der Interviewerin, daß der Eindruck entstehe, daß sich nur durch Streiks im Knast - wie in diesem geschehen - die Haftbedingungen verbessern, antwortete Senatorin „Bimbam“ mit Schweigen.

Nach einem Akrobatik-Programm der „Los Expressos“ kamen die „Häwie Mädels“, eine Frauenrockband aus Berlin, auf die Bühne. Zu ihrer angepunkten Musik tanzten nur wenige Frauen, an den Türen und Seitenwänden des Raumes gut bewacht von den Schließerinnen und Anstaltsleiter Höflich.

Nach gut anderthalb Stunden wurden die „Toten Hosen“ jubelnd empfangen. Ihr Sänger Campino begrüßte die Frauen: „Toll, hier bei euch zu sein! Wir machen jetzt Stoff!“ Die Tanzfläche wurde voller. Doch das Ende der Fete war von der Anstaltsleitung auf 20Uhr festgelegt worden. Der Kommentar einer Gefangenen zum Konzert: „Das müßte wöchentlich stattfinden“, und „seit Rot-Grün hat sich hier nicht viel getan. Noch immer werden Frauen, die wegen Drogensachen einsitzen, isoliert. Es gibt immer noch die Trennscheibe bei Besuchen. Zu einer Kommunikationsgruppe haben nur wenige Leute von draußen Zutritt. Kritik wird im besten Fall angehört - aber es geht nicht weiter.“

In der JVA Tegel am Samstag sind etwa 250 Gefangene dabei. Der Saal ist voll und binnen kurzer Zeit mit blauen Rauchschwaden verhangen. Gefangene stellen sich - wie schon in der Plötze - ans Mikro und äußern unter tosendem Beifall ihre Kritik: die Sicherheitstruppe in Tegel, die wilde Zellenrazzien veranstaltet habe, sei aufgelöst. Jetzt seien dieselben Vollzugsbeamten zur „Besucherbetreuung“ eingesetzt (höhnisches Gelächter der Gefangenen). „Die da oben wissen nicht, was uns hier stinkt. Wir werden es ihnen am Nikolausfest sagen!“ (Am 6.Dezember ist eine Arbeitsniederlegung geplant.)

Nach dem Kabarett „Zwei Drittel“ spielen auch hier die „Toten Hosen“. Ihr Sänger nach dem Auftritt: „Es hat irre Spaß gemacht. Wir würden's jederzeit wieder tun!“ Die Gruppe, die die Konzerte organisierte, ist fast zufrieden: sie, die sonst vor Mauern stünden, hätten sich nun vorstellen können. Auch politisch sei da was rübergekommen. Doch dazu müßte noch manche bürokratische und politische Hürde innerhalb der Justizverwaltung erst einmal verschwinden, die diesmal beispielsweise Radio100 als Mitveranstalter die Aufnahme und Ausstrahlung der Knastkonzerte über den Sender verboten hatte.

Ulf Morling

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