: Koalitionsknatsch über Bundeswehrplanung
■ Lambsdorff stellt sich hinter seinen Bildungsminister / Truppenreduzierung und Wehrdienstverkürzung verlangt
Berlin (taz/dpa) - Verteidigungsminister Stoltenberg tobt. Nachdem Bildungsminister Möllemann eine Reduzierung der Truppenstärke von 495.000 auf 350.000 Mann, die Verkürzung des Wehrdienstes auf zwölf Monate und die Streichung des Milliardenprojekts „Jäger 90“ gefordert hat, ist in der Bonner Koalition der offene Streit über die Bundeswehrplanung ausgebrochen.
Die Eckwerte der Truppenplanung für die 90er Jahre sei am 15.November nach intensiven Beratungen in der Koalition festgelegt worden, betonte gestern Stoltenberg. Stoltenberg bleibt trotzig: „Es bleibt bei den alten Vereinbarungen.“ Danach soll es bei 15 Monaten Wehrdienst bleiben und die Truppe erst Mitte der 90er Jahre reduziert werden. Stoltenberg attackierte Möllemanns Verhalten als „Sondertour“ und forderte, den ins Spiel gebrachten „Erörterungsbedarf“ offen darzulegen. Zwar hat der verteidigungspolitische Sprecher der FDP, Uwe Ronneburger, den liberalen Bildungsminister gestern zurückgepfiffen, aber Otto Graf Lambsdorff hat sich zeitgleich bei einer Präsidiumssitzung mehr oder minder hinter Möllemann gestellt. Lambsdorff rief dazu auf, den für morgen geplanten Kabinettsbeschluß für die Bundeswehrstruktur erst einmal zu verschieben. Erwägenswert wäre, „jetzt keine endgültigen Festlegungen vorzunehmen, bei denen man in wenigen Wochen oder Monaten vor der Notwendigkeit stehen könnte, sie wieder zu revidieren“. Der FDP-Chef dürfte damit auch dem SPD -Bundestagsabgeordneten von Bülow ein Stück entgegengekommen sein, der noch am Vorabend des Malta-Gipfels der Bundesregierung mangelnde Bereitschaft vorwarf, die derzeitigen Abrüstungschancen in der Verteidigungsplanung zu berücksichtigen. Von Bülow hatte massive Einsparungen im Bereich von zwei bis drei Mrd. Mark allein im kommenden Jahr für möglich erklärt. Ein milliardenschweres Rüstungsgeschäft brachten Frankreich und die BRD am Vortag des Bush -Gorbatschow-Gipfels schnell noch unter Dach und Fach.
In Koblenz schlossen am Donnerstag die Vertreter beider Regierungen ein Abkommen, nach dem ein gemeinsamer Kampfhubschrauber „Tiger“ zur Panzerabwehr von der bundesdeutschen Rüstungsfirma MBB und dem französischen Raumfahrtkonzern Aerospatiale entwickelt werden soll. Allein für die Entwicklung sind 2,2 Mrd. vorgesehen. Erste Probeflüge mit dem neuen Kriegsgerät sind für 1991 vorgesehen. Ab 1997 sollen dann an die Bundeswehr 212 und an Frankreich 215 „Tiger„-Hubschrauber ausgeliefert werden.
wg
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