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Erfolgreiche Reform nur bei Wiedervereingung

Wissenschaftlicher Beirat des Wirtschaftsministeriums: Vertrauliches Gutachten  ■  Aus Bonn Gerd Nowakowski

Die Zulassung von Privatunternehmen, den rechtlichen Schutz von Investitionen und die Möglichkeit zum Gewinntransfer sind für den Wissenschaftlichen Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums die Grundvoraussetzungen der Wirtschaftshilfe an die DDR. Ein Erfolg bei der Bewältigung der Wirtschaftskrise sei allerdings auch dann nicht sicher, „wenn die DDR konsequent den Weg der Reformen geht und die Bundesrepublik sie dabei großzügig unterstützt“, vertreten die Wissenschaftler des Beirats in einem Gutachten, das als vertraulich gekennzeichnet ist.

Nicht gebannt sei ein „circulus vitiosus“, ein Teufelskreis, weil „die wirtschaftlichen Friktionen auf Grund einer massenhaften Abwanderung... leicht stärker zu Buche schlagen als alle stimulierenden Wirkungen selbst einer energischen Reformpolitik“. Eine für die Wirtschaftsprobleme der DDR „günstige Prognose zu stellen“ fiele nur bei einer „verläßlichen Erwartung eines gemeinsamen staatlichen Daches“ leichter. Das FDP-geführte Wirtschaftsministerium lehnt derzeit sowohl eine Stellungnahme zu dem Gutachten als auch eine politische Wertung des Papiers ab.

Der Beirat unter Leitung des Frankfurter Professors Christian Watrin geht davon aus, daß westdeutsches Kapital nur fließen wird, wenn eine Reform Direktinvestitionen und Beteiligungen an Unternehmen rentabel werden läßt. Finanzhilfen der Bundesregierung sollten ausschließlich in Infrastrukturmaßnahmen fließen, die auch im Interesse der BRD liegen, heißt es im Gutachten. Außerdem sollten sie auf jeden Fall an Bedingungen geknüpft sein, um nicht den Reformdruck herabzusetzen.

Weil sonst die Stabiliät der D-Mark gefährdet wäre, dürfe die Bundesbank „auf keinen Fall“ einen „willkürlich gesetzten Wechselkurs“ der DDR-Mark stützen. Für die DDR empfehlen die Gutachter eine Freigabe der Preise, die Einführung des Wettbewerbs und die Auflösung der monopolartigen Großkombinate.

Voraussetzung für einen funktionierenden freien Markt sei ein stabiler Geldwert. Den Abbau des in den Sparstrümpfen der DDRler angesammelten Geldbergs nennen die Wissenschaftler deshalb „besonders dringend“. Um dieses Ziel zu erreichen, werden die Privatisierung der Staatsbetriebe genannt, bei der die DDRler dann Anteilscheine erwerben könnten sowie eine Wechselkursanpassung. Bei der „Verknappung“ der vorhandenen Geldmenge wäre auch „der Übergang zu marktgerechten Preisen“ hilfreich, zumal dann staatliche Subventionen abgebaut werden könnten.

Über die Wirkungen ihres maßgeschneiderten Kapitalismus für die DDR sind sich die Autoren durchaus im Klaren. Der skizzierte Umbau der DDR sei „nicht ohne eine soziale Flankierung möglich“, heißt es im Gutachten, wobei man sich wohl insbesondere von der „leistungsorientierten Einkommensverteilung“ Unmut erwartet. Als Umverteilungsopfer werden Rentner und Teile der Industriearbeitsschaft genannt. Durch soziale Maßnahmen ließen sich aber, sind die Autoren sicher, „Umverteilungswirkungen, wie sie in der Bundesrepublik in den ersten Jahren nach der Währungsreform eintraten, ... durchaus vermeiden“.

Die Gutachter des Ministeriums sehen einen „außerordentlichen legislativen Anpassungsbedarf“ in der DDR. Einzelreformen liefen ins Leere, wenn die rechtlichen Vorausetzungen für ein anderes Wirtschaften nicht möglichst schnell und umfassend auf allen Ebenen geschaffen werden.

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