piwik no script img

Momper mischt sich im Osten ein

■ Der Regierende Bürgermeister von Berlin schlägt der Opposition einen Wahltermin vor / Gestern Treffen mit Ost-Berlins Oberbürgermeister Krack / Blitzeinladung an Oppositionsgruppen

Berlin (taz/dpa) - Der Regierende Bürgermeister von West -Berlin, Momper, und der Oberbürgermeister von Ost-Berlin, Krack, trafen sich gestern zu ihrem ersten offiziellen Arbeitsgespräch. Momper stellte die Idee eines Regionalausschusses für Berlin vor. Dieser Ausschuß soll nach Mompers Vorstellungen von Mitgliedern der DDR -Regierung, der Bundesregierung, des Magistrats von Ost -Berlin und des Senats von West-Berlin paritätisch besetzt werden und die Planungen für den Ballungsraum Berlin übernehmen. Krack äußerte besonderes Interesse an einer Zusammenarbeit in der Bildungspolitik.

Bereits am Montag hatte Momper seine bislang vertretene Linie der Nichteinmischung in die Angelegenheiten der DDR verlassen. Es bestehe die Gefahr unkontrollierter Entwicklungen, bei denen Wut und Enttäuschung in Haß und Gewalt umschlagen könnten, begründete er seinen Schritt. Von den oppositionellen Gruppen forderte Momper, sich im gegenwärtigen „Machtvakuum“ ihrer Verantwortung zu stellen und das politische Handeln auch in der Exekutive mitzubestimmen. Dann machte Momper konkrete Vorschläge: An einem runden Tisch solle nicht nur über die zukünftige Entwicklung in der DDR gesprochen werden. Der „Tisch“ solle auch Kontrollfunktionen gegenüber der Regierung wahrnehmen. Momper nannte auch Personen, die am Tisch sitzen sollten: unter anderen Ministerpräsident Modrow, der Schriftsteller und ehemalige Stasi-Chef Markus Wolf, Ibrahim Böhme (SDP), Bärbel Bohley (Neues Forum) und Pfarrer Eppelmann. So schnell wie möglich, so Momper, müsse es Neuwahlen geben. Als Termin schlug er den 6.Mai 1990 vor.

Für den späten Abend hatte der Regierende Bürgermeister Vertreter der DDR-Opposition nach West-Berlin eingeladen. Mompers Anliegen war es, den Gruppen ihre „besondere Verantwortung“ nicht nur für ihre Forderungen, sondern für die gesamte Gesellschaft klarzumachen. Ibrahim Böhme sagte nach dem Treffen, er fühle sich von Momper nicht vereinnahmt. Momper habe nur die Vorschläge der Gruppen in der DDR aufgegriffen. Auch er wolle so schnell wie möglich Wahlen. Den Termin des 6.Mai habe die SDP in der Nacht zuvor festgelegt. Wesentlich distanzierter äußerte sich Michael Bartuschek (Demokratie jetzt) zu Mompers Initiative. Der runde Tisch und der Wahltermin seien „keine Angelegenheit von Herrn Momper“. Aber auch Bartuschek räumte ein, daß die bisher genannten Wahltermine zu spät kämen.

Wie schwer es den Gruppen fällt, sich an den Gedanken, Regierungsverantwortung zu übernehmen, zu gewöhnen, machte die Erkenntnis von Pfarrer Eppelmann deutlich. Ihm sei jetzt erst richtig klargeworden, sagte er, „daß die Kehrseite von Vertrauen (welches das Volk in die Opposition hat; d.Red.) Verantwortung heißt“. Reinhard Schuldt (Neues Forum) betonte nochmals, die Umgestaltung in der DDR müsse „von unten“ geschehen und man wolle weiter mit allen Gruppen im Gespräch bleiben.

bf

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen