Run auf die Hochschulen

■ Viele Anfragen von StudentInnen aus der DDR an Westberliner Immatrikulationsbüros / Besonders begehrt: Medizin und Wirtschaft

Bereits jetzt ist abzusehen, daß sich durch die Öffnung der Mauer die Lage an den mit rund 100.000 angehenden AkademikerInnen überfüllten Berliner Hochschulen im kommenden Sommersemester weiter zuspitzen wird. Dies ergab eine taz-Umfrage bei den Immatrikulationsämtern der Hochschule der Künste, von Technischer und Freier Universität. Grundsätzlich hat jede/r DDR-AbiturientIn das Recht, sich an einer Berliner oder bundesdeutschen Hochschule zu immatrikulieren. Die Wissenschaftsverwaltung, die nach ersten Schätzungen mit etwa 3.000 zusätzlichen StudentInnen aus der DDR kalkuliert, sieht vor allem die Bundesregierung in der Pflicht, zusätzliche finanzielle Mittel für die Berliner Hochschulen zur Verfügung zu stellen.

Besonders dramatisieren könnte sich die Situation bei den zulassungsbeschränkten Fächern wie Medizin oder Betriebswirtschaftslehre, wo sich bereits heute so mancher Studienwunsch nicht erfüllen läßt. Hier wird der Verdrängungswettbewerb um die Zulassung härter werden, denn grundsätzlich haben DDR-AbiturientInnen das gleiche Recht auf einen Studienplatz in diesen heiß begehrten Fächern wie bundesdeutsche. Die angehenden KommilitonInnen aus der DDR benötigen für eine Bewerbung bei der Dortmunder ZVS nur die Berechnung und Anerkennung der Durchschnittsnote, die ihr DDR-Abiturzeugnis nicht ausweist. Bei der zuständigen Berliner Behörde, der Senatsschulverwaltung, sind schon knapp 3.000 Anträge eingegangen. Aber auch der Run auf die zulassungsfreien Fächer ist nicht zu unterschätzen. Allein an der TU erkundigen sich nach Auskunft von Harry Rossel, dem Leiter des Referats für Studienangelegenheiten, täglich etwa zwanzig DDRlerInnen nach Studiengängen und -möglichkeiten. Darunter sind nach den Beobachtungen der TU -Studienberatung auch viele Eltern, die sich nach Studienmöglichkeiten für ihre Kinder erkundigen. Besonders gefragt, so der stellvertretende Leiter der Studienberatung, Udo Treide, sei alles, was mit Datenverarbeitung zu tun habe. Treide führt dies vor allem auf die äußerst mangelhafte technische Ausstattung an DDR-Universitäten zurück, wo es noch lange nicht zum Studienalltag gehört, an PCs arbeiten zu können.

Die Nachfrage nach Studienmöglichkeiten an der FU hält sich nach Auskunft von Wolfgang Krieger aus dem Immatrikulationsamt mit etwa 40 ratsuchenden DDRlern pro Woche noch in Grenzen. Der Schwerpunkt des Interesses liege bei den Studiengängen Politik und Wirtschaftswissenschaften und im medizinischen Bereich, was er vor allem auf die veraltete aus den sechziger Jahren stammende Medizintechnik an den Hochschulen der DDR zurückführt.

Etwas anders sieht die Situation an der HdK aus. Zwar registriert die allgemeine Studienberatung etwa 100 ratsuchende DDRler in der Woche, doch vor der Zulassung muß eine Prüfung der künstlerischen Begabung bestanden werden. In diesen Fächern wird es daher nicht zu überfüllten Hörsälen kommen, sondern im Vorfeld des Studiums zu einem verstärkten Wettbewerb um die begehrten Studienplätze. Bei den zulassungsfreien Fächern an der HdK richtet sich das Augenmerk der potentiellen StudentInnen aus der DDR vor allem auf die Designstudiengänge.

Noch nicht geklärt sind aber die finanziellen Fragen des Studiums von DDRlern. Zur Zeit denkt der Bundesminister in Bonn noch darüber nach, ob StudentInnen, die in Ost-Berlin wohnen und an einer Westberliner Universität studieren, Bafög erhalten sollen. Wahrscheinlich keinen Rabatt wird es bei den Sozialgebühren geben, die alle StudentInnen jedes Semester an das Studentenwerk zu entrichten haben. Das Studentenwerk steht hier auf dem Standpunkt, daß Leistungen, die in Anspruch genommen werden, auch bezahlt werden müssen.

thol