: EG: Kohl setzt auf Zeit
■ Zwei Tage vor dem Straßburger Gipfel: Kohl nennt Mitterrand neue Bedingungen für Wirtschafts- und Währungsunion
Brüssel (dpa) - Zwei Tage vor dem EG-Gipfel in Straßburg hat Kanzler Kohl dem französischen Staatspräsidenten Fran?ois Mitterrand in einem Brief völlig neue Bedingungen für die Verwirklichung einer Wirtschafts- und Währungsunion genannt. Kohl will laut gutunterrichteten Kreisen die Wirtschafts und Währungsunion nur dann realisieren, wenn gleichzeitig das Europaparlament umfassende Kontrollrechte erhält. Als spätesten Termin nennt Kohl Mitte 1994, wenn die Wahlen des Europaparlaments anstehen. Kohl will den Angaben zufolge nicht auf den französischen Wunsch eingehen, auf dem Straßburger Gipfel einen konkreten Termin für die Einberufung einer Regierungskonferenz festzusetzen. Die Konferenz soll die bestehenden EG-Verträge so abändern, daß nationale Souveränitätsrechte in der Wirtschafts- und Währungspolitik auf EG-Institutionen wie etwa eine Zentralbank übergehen können. Eine Regierungskonferenz will Kohl erst dann einberufen, wenn die Vorbereitungen ausreichend fortgeschritten seien. Um die Union bis 1994 zu verwirklichen, müßte Experten zufolge diese Regierungskonferenz allerdings spätestens Ende 1990 ihre Arbeit beginnen.
Die neue Bonner Position dürfte in Paris auf erhebliche Kritik stoßen. Während andere EG-Länder darin die Bereitschaft Bonns, auch angesichts der Entwicklungen in Osteuropa aktiv an der Europäischen Gemeinschaft weiterzuarbeiten, sehen, sind die Franzosen skeptisch. Gerade die Nennung eines konkreten Datums zur Installation einer Regierungskonferenz wird von ihnen als Garantie angesehen, die durch die Geschehnisse in der DDR noch zusätzlich komplizierte Lage pragmatisch voranzutreiben.
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