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Spare, spare - Staatsfunk baue

■ Das McKinsey-Gutachten über die Fusion von SWF und SDR gängelt den Journalismus, strafft die Rundfunkhierarchie und läßt Staatsferne vermissen

Mainz/Stuttgart (taz) - SWF und SDR müssen umdenken. Vor allem die Redaktionen. Sie nehmen - man staune - die Qualität zu wichtig und die Kosten nicht ernst genug. Da müsse sich doch etwas ändern, meint der Consulting-Crack McKinsey, dessen Fusionsgutachten zu SWF und SDR der taz vorliegt.

Was McKinsey als Expertise ablieferte, läßt als letzten Schluß zu, daß sich nicht nur im Südwesten ein schwarzer Senderiese in den Äther streckt, sondern vielmehr die gesamte ARD planiert und zentralisiert werden soll. SWF und SDR trifft es vorerst am schlimmsten. Das Gutachten nämlich sieht drastische Personaleinschnitte vor: Stuttgart und Baden-Baden wären bei einer Fusion mit jeweils 280 Stellen betroffen, 560 insgesamt. Den „freigesetzten“ Arbeitskräften würden zwar teilweise neue Aufgaben in Hörfunk und Fernsehen zugeschustert, etwa im Landesstudio Mainz, das um 75 bis 115 Stellen erweitert werden soll, dennoch verzeichnet McKinsey abschließend einen Überhang von mindestens 85 Beschäftigten. So müssen ältere Angestellte von SDR und SWF damit rechnen, hinausfluktuiert zu werden, etwa durch vorzeitigen Ruhestand. Den jungen Beschäftigten dagegen drohen Änderungskündigungen. Und das Schicksal der freien JournalistInnen scheint gänzlich ungewiß. In McKinseys Personalgebäude bleibt kein Stein auf dem anderen.

Um den Auftraggebern zu zeigen, daß sich die Umstrukturierung auch umsetzen läßt, fügen die Consulter gleich eine Liste mit dem Titel Potential für Fluktuation und Änderungskündigung bei. Sie nennt die Zahl derer, die 1992 älter als 60 Jahre sein werden, und jener, die 1990 weniger als zehn Jahre dem SWF oder SDR angehören. Starker Tobak für die Gewerkschaft IG Medien. Doch es qualmt noch ärger.

Die Standorte Heidelberg und Ludwigshafen sollen bei einer Fusion aufgelöst werden. Aus SDR 2 und SWF 2 soll ein einfarbiger Kulturkanal entstehen. Das Pop-Programm SDR 3 soll völlig vom Werbemagneten SWF 3 geschluckt werden; die SDR-Planstellen würden entfallen. In Baden-Baden will McKinsey einige Redaktionen komplett „freisetzen“. Zudem gebe es beim Fusionsriesen SDR nur noch eine zentrale Nachrichtenredaktion!

McKinsey oder seinen Auftraggebern - den CDU -Ministerpräsidenten Wagner (Mainz) und Späth (Stuttgart) ist journalistischer Pluralismus mit seinem unterschiedlichen Nachrichtenmix offenbar zuwider. So bemängelt das McKinsey-Institut die „Doppelgleisigkeit“ der beiden Anstalten - sprich: daß manche BundesbürgerInnen noch wählen dürfen zwischen SDR und SWF. Die Berater pochen auf Fusion, immer wieder, als wäre es ihre politische Vorgabe gewesen. Dabei gibt das Institut paradoxerweise mehrmals im Gutachten zu, daß der getrennte öffentlich-rechtliche Rundfunk im Südwesten derzeit noch viel besser dasteht als der fusionierte Dreiländerfunk im Norden. Ganz logisch denn wo zwei Sender stehen, wie SWF und SDR, kann eine dritte private Rundfunkwelle schwerer landen als dort, wo sie in Konkurrenz zu nur einem einzigen Sender steht wie dem NDR. Und überdies: Wo man aus zwei Sendern einen macht, werden im Äther Frequenzen frei - auch für die Privaten! Das scheint auch McKinsey einzuleuchten. Und so wirft die Beraterfirma gleich ein, der Riese SWDR müsse die Frequenzlöcher mit einem vierten oder gar fünften Programm stopfen. Wie aber die Kosten decken!?

McKinsey tadelt gerne - vor allem RedakteurInnen: Im Gutachten heißt es, die JournalistInnen übertrieben ihren „Perfektionsanspruch“. Das Publikum könne die Qualität gar nicht mehr wahrnehmen; die Kosten indes schnellten „überproportional“ in die Höhe. Die Redaktionen seien sich der Kosten nicht bewußt, die sie verursachen! Ein „zweistelliger Millionenbetrag“ lasse sich hier einsparen. Durch „Variationen im Programm-Mix“ und größerer „interner Effizienz“ will McKinsey SWF und SDR „dem Kostenniveau der privaten Rundfunkanstalten annähern“. Auch dem Sendeniveau der Privaten?

Die Gutachter stellen sich ein Programm vor, das „mit dem Schwerpunkt volkstümlicher Unterhaltungmusik neue Hörerschichten anspricht“. Sollten wir den beiden Ministerpräsidenten nicht ihr tägliches Wunschkonzert gönnen?! Von ihren Rundfunkorchestern nämlich, die angeblich von der Fusion verschont bleiben sollten, können Wagner und Späth künftig kaum mehr Lobeshymnen erwarten. Eher Paukenschläge. Denn McKinsey brach das Tabu: 50 MusikerInnen ließen sich locker feuern, meint die Consultingfirma! Blieben immer noch 80 Mitglieder pro Orchester. Im Grunde jedoch, so läßt McKinsey wissen, benötige eine fusionierte Anstalt „aus wirtschaftlicher und Wettbewerbssicht“ eh nur ein Sinfonieorchester. „Durch die Auflösung des anderen könnten zusätzlich 15 Millionen Mark eingespart werden.“

Spare, spare - Staatsfunk baue! Die Sparreform im fusionierten SWDR „kann nur gelingen“, so McKinsey, „wenn Anstalten und politische Entscheidungsträger konstruktiv zusammenarbeiten.“ Staatsferne ade.

Und mit der Staatsferne, die dem Rundfunk eigen sein sollte, verabschiedet sich auch ein Teil der Pluralität im SWDR. Die oberste Macht läge bei einem Superintendanten; der in Baden-Baden säße. Darunter gäbe es nur sechs Direktoren statt der bisherigen acht: je ein Direktor für Hörfunk, Fernsehen, Technik oder Verwaltung sowie zwei neugeschaffene „Direktoren der Landesfunkhäuser“ in Mainz und Stuttgart. Letztere werden ernannt: vom Intendanten vorgeschlagen, vom dezimierten Verwaltungsrat bestätigt. Damit vermeide man „Zentrifugaltendenzen“, erklärt der Reporter. Im Klartext: So sichert man, daß ein jeder nach der Pfeife der Zentrale tanzt. McKinsey würde am liebsten gleich die gesamte ARD „harmonisieren“ und von einer „ARD-weiten Controlling -Instanz“ überwachen lassen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk - vorerst nur im Südwesten - müsse seine „Strukturen optimieren“. Die Berater und die beiden Landesregierungen erhoffen sich dadurch einen „Signaleffekt, der den gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland in Bewegung bringt“. Ob der Saarländische Rundfunk (SR) das Signal schon gehört hat?

Die Fusion könnte dem SR eine böse Überraschung bereiten. McKinsey im Gutachten: „Während heute in diesem Programm drei Konzepte aus drei Rundfunkanstalten (SWF, SDR, SR) aufeinandertreffen, wird nach der Fusion durch ein einheitliches Programm erstmalig ein geschlossenes Bild vermittelt.“

Joachim Weidemann

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