: Umwelt? - „Leck mich doch!“
■ Deputation mit Spaß am Spott lahmgelegt und der Senatorin langt es
In der Politik entwickeln sich manche Dinge eher langsam, dafür dann aber so gewaltig, daß am Ende erstens fast niemand mehr weiß, was los ist und zweitens erst recht nicht, was zu tun ist. Davon kann derzeit die Umweltdeputation ein lautes Liedchen singen. Die ist nämlich, wie wir seit gestern wissen, nach redlichem Bemühen fast aller politischen Farben, inzwischen so gut wie handlungsunfähig. Am Donnerstag sollten fällige Entscheidungen über 7,8 Millionen Mark beraten werden. Und was war? Nichts.
Und das kommt so. Weil die Umweltsenatorin ja auch Senatorin für Stadtentwicklung ist, stellte sich die Frage: Welche Deputation darf die Flächennutzungspläne beraten? In einer Langzeitfehde setzte sich in der SPD-Fraktion die Umweltlobby durch. Folge: Es wurde die Einrichtung einer neuen Deputation beschlossen, die Stadtentwicklungs -Deputation. Das mißfiel nicht nur einem Teil der SPD -Fraktion, sondern auch CDU, FDP und Grünen, wenn auch aus durchaus verschiedenen Gründen. CDU und FDP wollten wie die SPD-Minderheit die Baudeputation mit der Kontrolle der Lemke -Schulteschen Flächenplanung beauftragen. Die Grünen fanden, daß die Umweltdeputation der richtige Ort für die Flächenpläne sei.
Und jetzt wird es erst richtig kompliziert. Der Grünen -Vorschlag läßt sich nicht verwirklichen, weil die Umweltdeputation eine staatliche Deputation ist, also für Bremen und Bremerhaven entscheidet. Flächenpläne aber sind eine städtische Angelegenheit. Die einfache und logische Lösung, nämlich die Deputation in eine städtische umzuwidmen, verbot sich. Denn der Vorsitzende Töpfer (SPD) kommt aus Bremerhaven.
Aus durchaus unterschiedlichen Motiven, aber einig in der Absicht, die SPD-Fraktion vollends ins Chaos zu treiben, rief nun die Opposition den Verfassungsausschuß der Bürgerschaft an. Und der stellte fest, was ohnehin klar ist: Wenn die Umweltdeputation über Bremer Müll und Abwasser berät, hat der Bremerhavener Töpfer sowieso sein Recht verloren. Oder: Das Problem Töpfer führt zu einem rechtlosen Zustand.
Nachdem der seit zwei Jahren anhaltende rechtswidrige Zustand nun festgestellt ist, hat die Deputation nun kaum noch Tagesordnungspunkte. Und das langt auch der Senatorin allmählich, sagt deren Sprecher. Doch Frau Lemke-Schulte wird sich mit dem Dasein im rechtsfreien Umweltraum noch eine ganze Weile abfinden müssen. Denn zur Debatte stehen zur Zeit mindestens vier taktisch motivierte Modelle. Denn schließlich hat die Opposition auch ihr Vergnügen an dem Durcheinander.
Nur den Deputierten geht der Spaß allmählich ab. Einer charakterisiert die allgemeine Stimmungslage so: „Leck mich doch...“
Rosi Roland
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen