Dreizimmerwohnung - für drei Familien

■ Buntentorsteinweg 489: Die Wohnungsnot senkt die Standards / Beratungsstelle bringt drei Familien auf 60 qm unter

Drei Zimmer, Küche, Bad. 70 qm. Mittlere Wohnlage, Buntentorsteinweg 489.

Eine gutverdienende Single-Frau hätte sich hier gemeinsam mit ihrer Siam-Katze ausgebreitet. Drei ErstsemesterInnen hätten eine WG aufgemacht und die 3-Zimmer per Los unter sich aufgeteilt. Auch die deutsche Sozialhilfe-Familie mit zwei Kindern hätte die Wohnung sicher nicht

ausgeschlagen.

Allein - der Hauseigentümer hatte noch eine andere, lukrativere Arithmetik im Sinn. Er hat in den drei Zimmern gleich drei Familien untergebracht. Quadratisch. Praktisch. Eng.

Zum Beispiel die Familie Harb. Sie wohnt seit über vier Monaten im Zimmer links von der Eingangstür. Für die Eltern steht an der einen Wand ein Ehebett. Für

die vier Kinder stehen die Betten an der gegenüberliegenden Wand. Außerdem ist noch Platz für einen Couchtisch, einen Fernseher und vier Sperrmüll-Plüsch-Sessel - Und für die sechs Menschen.

Die kurdisch-libanesische Familie ist im 15. Jahr des Bürgerkriegs mit einem Schiff und ohne Paß von Beirut aus nach Europa geflüchtet.

In dem Zimmer rechts neben der Eingangstüre lebt eine vierköpfige Familie aus Türkisch-Kurdistan. Das Zimmer daneben ist klein. Es ist gerade Platz für das Ehebett eines jungen Paares mit Kind. Diese Familie ist verwandtschaftlich verbunden mit den 6-köpfigen Harbs im ersten Zimmer. In der Küche kann sich nur eine der drei Hausfrauen bewegen. Auch vorm Klo gibts Gedränge.

Der Vermieter kassiert für die 13 Personen „Hotel„ -Übernachtungstarif, allein für das Zimmer der Familie Harb bekommt er monatlich 2.700 Mark Miete vom Sozialamt überwiesen.

Vermittelt hat die Wohnung die „Beratungsstelle für Flüchtlinge“ in der Langenstraße, sie wird vom Sozialamt und von der Arbeiterwohlfahrt betrieben. Im Büro Langenstraße brach vorgestern wieder das Chaos aus. Allein in den letzten beiden Monaten mußte 700 AsylbewerberInnen ein Dach über dem Kopf vermittelt werden. Weil sich Wohnungsnot jedoch mit Ausländerhaß paart, gelingt es den MitarbeiterInnen nur schwer, Notunterkünfte für die sogenannten „Asylanten“ zu finden. VermieterInnen lassen sich ein Entgegenkommen teuer bezahlen.

Mehrmals mußte das Bürohaus in der Langenstraße selbst als Notunterkunft herhalten. Gestern nacht haben 41 Menschen in den Büros und in der Hausmeisterwohnung übernachtet.

Nächste Woche wird das Lloyd-Hotel am Hauptbahnhof so hergerichtet sein, daß 80 eine Unterkunft finden. Doch binnen zwei Wochen wird auch das Lloyd-Ho

tel belegt sein. Danach ist das „Chaos“ wieder gewiß. Einige MitarbeiterInnen sind sauer, weil die AsylbewerberInnen bei den Behörden-Planungen immer wieder „hinten runter fallen“ im Gegensatz zu Aus-und ÜbersiedlerInnen. Z.B. gibt es für AsylbewerberInnen, die nachts und wochenends ankommen, noch immer keine Not-„Schleuse“. Dazu Hans Taake, Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt: „Das ist mir ganz klar, Asylbewerber stehen überall an letzter Stelle. Daß zeigt sich allein daran, daß 41 Leute im Sozialamt auf den Fluren übernachten müssen. Das ist eine Katastrophe.“ Der Sprecher des Sozialsenators hielt diesem Vorwurf entgegen: „Die Wohnstandards gehen immer weiter runter - aber für Aus-und Übersiedler genauso.“

Barbara Debus