piwik no script img

Geistige große Koalition-betr.: "Kohl plant Konförderation mit DDR", tazt vom 28.11.89, "Bonn: Ein Volk! Ein Bund" Ein Kohl! - DDR-Bürger gegen Vereinnahmung", taz vom 29.11.89

betr.: „Kohl plant Konföderation mit DDR“, taz vom 28.11.89, „Bonn: Ein Volk! Ein Bund! Ein Kohl! - DDR-Bürger gegen Vereinnahmung“, taz vom 29.11.89

Das ist schon unglaublich: da machen zumeist junge Leute in der DDR - anfänglich unter Lebensgefahr - einen Aufstand gegen die SED, mobilisieren Massen, können sich schließlich

-zum Teil sogar - durchsetzen; die Grenzen werden geöffnet, Euphorie, Freude, - und kaum 14 Tage danach entwirft Kohl an diesen Menschen und ihren Meinungen vorbei einen Plan zu einer späteren Wiedervereinigung. Und was macht die bisherige bundesdeutsche Oppositionspartei SPD? Sie schließt sich dem Kanzler an, bildet eine Art geistige, große Koalition.

Da muß doch in aller Deutlichkeit gefragt werden: Gehen wir hier in der Bundesrepublik einer Art Einparteiensystem mit großdeutschen Zielsetzungen entgegen? Verhandelt jetzt Kohl zur Verwirklichung seiner Pläne auch mit den jahrelang, ja jahrzehntelang verteufelten „Kommunisten“ der SED; verlieren denn in diesen Tagen alle SpitzenpolitikerInnen die letzten Reste von moralischer Integrität und Kontinuität? Und schließlich: Wird denn hier in der Bundesrepublik nicht auch einmal - und zwar möglichst bald - das Volk zu dieser Frage befragt? Gibt es jetzt nach den Wendehälsen in der DDR hier die (sozialdemokratischen) Wendemäntelchen?

Dazu gibt es insgesamt nur zu sagen: Erst muß auf beiden Seiten abgerüstet werden, dann eine europäische Friedensordnung geschaffen werden - und dann werden wir sehen, ob darin noch nationalstaatliche Vorstellungen aus dem 19.Jahrhundert Platz haben.

Bernhard Zilling, Freiburg

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen